Puchheim:Jazz im Dritten Reich

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Revue beleuchtet ein Stück Zeitgeschichte

Von Eva Runkel, Puchheim

Vorneherum als verfemte Musik abgestempelt und verboten, hintenherum als Propagandamittel eingesetzt. Die Stilrichtung des Jazz wurde von schwarzen Musikern erfunden und von vielen jüdischen immer mehr verfeinert. Damit entwickelte er sich zum Feindbild von Rassisten, Diktatoren und Antidemokraten. Während der Jazz weltweit immer beliebter wurde, erfuhr er in Deutschland das Gegenteil. Bei den Nationalsozialisten war er keineswegs gut angesehen und galt nach der Machtübernahme 1933 als verfemte Musik.

Nur zwei Jahre später, 1935, sprach der gleichgeschaltete deutsche Reichsrundfunk das "endgültige Verbot des Nigger-Jazz" aus. Damit wurden die Lieder aus den Radios verbannt und somit auch von der Bevölkerung fern gehalten. Dass es dann genau der Reichspropagandaminister Joseph Goebbels gewesen sein soll, der eine Jazzband mit den besten Musikern dafür aus Deutschland und dem europäischen Ausland gründen lässt, schien sehr unwahrscheinlich. Doch eben das geschah im Jahr 1940. "Charlie and his Orchestra" hieß die Gruppe, benannt nach dem Sänger Karl "Charlie" Schwedler. Unter der Leitung des Berliner Saxofonisten Lutz Templin spielte er unter anderem zusammen mit dem Münchner Schlagzeuger Fritz "Freddie" Brocksieper und dem Wiener Charlie Tabor an der Trompete. Das passierte jedoch hinter dem Rücken der Bevölkerung, da die Swing-Arrangements ausschließlich in dem für das Ausland produzierten Kurzwellensendern liefen. Die gängigen "Volksempfänger" in Deutschland konnten jedoch nur Lang- oder Mittelwelle empfangen. Vier Jahre lang spielten die Musiker so die verbotenen Lieder mitten in Berlin. Dabei wurden die Melodien von den meist amerikanischen Vorbildern übernommen, die Texte wurden jedoch oft durch rassistische Propagandaparolen ersetzt. Den Musikern brachte das mehrere Vorteile, wie eine gute Bezahlung, besondere Verpflegung und sie entkamen oftmals dem Kriegsdienst an der Front, jedoch gerieten sie in einen Zwiespalt, da sie von den Nationalsozialisten zu Propagandazwecken instrumentalisiert wurden.

Dieses Kapitel der deutschen Musikgeschichte ist noch recht unbekannt, doch wird nun mit der von Oliver Hochkeppel verfassten Revue "Swing Heil! - Charlie and his Orchestra" auf die Bühne gebracht. Unter den Darstellern befinden sich die Sängerin und Schauspielerin April Hailer, die sich unter anderem mit ihrer eigenen Fernsehshow einen Namen gemacht hat, und das Nachwuchstalent Maximilian Höcherl. Sie erzählen die Geschichte der ungewöhnlichen Jazzband und sind auch für die Gesangseinlagen und die darstellerischen Elemente zuständig. Einblicke in die britische Sichtweise der Ereignisse gibt der bekannte Schlagzeuger Pete York. Neben Bildern wird die Revue musikalisch von der "Wine and Roses Jazz Society" unter der Leitung von Heinz Dauhrer an der Trompete begleitet.

Revue "Swing Heil! - Charlie and his Orchestra", Donnerstag, 22. November, von 20 Uhr an, Puc, Oskar-Maria-Graf-Straße 2, Puchheim. Eintritt 23 Euro, ermäßigt 19,70 Euro.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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