Puchheim:Hilfe zur Selbsthilfe

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Brücke nach Brasilien: Im Jahr 1992 hat der Verein Campo Limpo das Nord-Süd-Denkmal am Puchheimer Bahnhof aufgestellt. (Foto: Günther Reger)

Der Brasilien-Verein Campo Limpo feiert 40-jähriges Bestehen

Von Peter Bierl, Puchheim

Menschen fliehen vor Verfolgung, Diskriminierung, Krieg, Hunger und Elend. In der Studie "Global 2000", die der US-Präsident Jimmy Carter im Jahr 1977 anregte, wurde vorhergesagt, dass die fortschreitende ökologische Zerstörung des Planeten Millionen von Menschen heimatlos machen wird. Ähnlich wie der Bericht des Club of Rome von 1973 bewegen solche Warnungen Regierungen und Wirtschaft nicht zum Umlenken, denn das Wichtigste bleibt, dass die Kasse stimmt. Immerhin motivieren solche Erkenntnisse manche Bürger, aktiv zu werden.

31 Basisaktivisten gründeten im Jahr 1975 in Puchheim den Verein Campo Limpo, der sich seitdem für Kleinbauern, Landarbeiter, Landlose, Gewerkschafter, Slumbewohner und indianische Gruppen in Brasilien engagiert, Projekte zur Selbsthilfe unterstützt und gegen staatliche Repression und wirtschaftliche Ausbeutung seine Stimme erhebt. Das Ziel ist, demokratische Strukturen und nachhaltiges Wirtschaften zu fördern.

Der Verein feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Der Name geht zurück auf eine Favela in São Paulo, in der sich damals Jugendliche in einer Lehrwerkstatt des Franziskaners Frei Xystus Teuber mit der Militärdiktatur und den gesellschaftlichen Widersprüchen beschäftigten, erzählt Hans Kühnle. In Deutschland entstanden seinerzeit die sogenannten neuen sozialen Bewegungen, die Umwelt- und Frauenbewegung sowie die Anti-AKW-Bewegung.

In Puchheim greifen christlich geprägte Bürger die neuen Themen auf, setzen sich mit globalen Zusammenhängen, Bewusstseinsbildung und persönlichen Lebensstilen auseinander. Das führte dazu, dass sich der Verein den Beinamen "Solidarität mit Brasilien" gab. Dass die Gruppe sich mit diesem lateinamerikanischen Land beschäftigte, war eher zufällig. 1972 hielt Pater Teuber eine Predigt in der Sankt-Josefs-Kirche in Puchheim und berichtete von seiner Lehrwerkstatt, in der Jugendliche zu Mechanikern ausgebildet wurden. In der katholischen Kirche in Puchheim fand sich daraufhin ein Arbeitskreis zusammen. Drei Jahre später wurde aus der Initiative ein Verein. Vertreter von Campo Limpo waren auch dabei, als 1989 in Freiburg das bundesweite Netzwerk der Brasilienhilfe, Kobra, gründet wurde.

Die Lehrwerkstatt in São Paulo war das erste Projekt, das aus Puchheim gefördert wurde. Im Lauf der Jahrzehnte hat Campo Limpo insgesamt 77 Projekte mit fast 2,8 Millionen Euro gefördert. Im gleichen Zeitraum flossen etwa 100 000 Euro in die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, die Verwaltungsarbeit kostete etwa 70 000 Euro, bilanziert Kühnle. Er ist Projektkoordinator und stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Allein im vergangenen Jahr hat der kleine Puchheimer Verein 16 Projekte mit über 84 000 Euro unterstützt. Etwa 200 Mitglieder hat der Verein derzeit und rund 150 Spender. Die Stadt Puchheim steuert jedes Jahr 5000 Euro zu den Finanzen bei.

Ein großes Problem für Campo Limpo ist, dass der Verein, wie viele andere auch, Nachwuchssorgen hat, erzählt Kühnle. Der Jüngste im Vorstand ist Mitte 30, so alt wie einst die Gründer des Vereins gewesen sind. Mittlerweile sind diese zwischen 70 und 80 Jahre alt.

Zu den geförderten Projekten zählen Kindergärten, Sozialzentren, eine Einrichtung für Leprakranke, eine kleinbäuerliche Genossenschaft sowie eine Landpastorale im Nordosten Brasiliens, die Landarbeiter und Kleinbauern gegen Übergriffe von Großgrundbesitzern unterstützt. Dazu gibt es Kurse über Agrartechnik oder Programme für den Bau von Zisternen und eine ökologische Landwirtschaft.

Die neueste Dimension der Landnahme in Brasilien besteht in der Expansion von Großbetrieben, die Rohstoffe für Biosprit sowie Sojamonokulturen und Eukalyptusplantagen anlegen. Die Kleinbauernfamilien, die zusammen mit ihrem Land ihre Existenzgrundlage verlieren, werden zu Flüchtlingen, zunächst in ihrem Heimatland.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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