Puchheim:Glückliche Heimkehr

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Mendelssohns Geniestreich perfekt umgesetzt: die Musiker des Staatstheaters am Gärtnerplatz in Puchheim. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bravo-Rufe für Kammermusikabend mit Gärtnerplatz-Musikern

Von KLAUS MOHR, Puchheim

Kann man es hören, wenn Musiker glücklich sind? Diesen Eindruck konnte man gewinnen beim jüngsten Kammermusikabend im Puchheimer Kulturzentrum Puc. Das Programm des Abends mit Mitgliedern des Orchesters des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München stand unter dem Motto "Kammermusikfest" und erklingt am Sonntag im Theater selbst noch einmal unter dem Titel "Willkommen zurück". Die Vorstellung, über fünf Jahre kein festes Haus zu haben und wie Nomaden von einer Interimsspielstätte zur nächsten zu ziehen, erfordert in jeder Hinsicht ein hohes Maß an Flexibilität und Langmut. Die unlängst erfolgte Rückkehr in das generalsanierte Gärtnerplatztheater muss auf die Musiker insofern wie ein Vorgeschmack auf den Himmel wirken, zumal die Bedingungen dort jetzt auch deutlich besser sind als zuvor.

Johannes Overbeck, Solo-Fagottist des Orchesters und Spiritus rector der Puchheimer Kammerkonzerte, stellte die absolut berechtigte Frage, bis zu welcher Zahl an Musikern man von Kammermusik sprechen kann: Die Serenade in d-Moll op. 44 von Antonín Dvořák ist für zehn Blasinstrumente, Violoncello und Kontrabass komponiert, die Bearbeitung der "Kindertotenlieder" von Gustav Mahler durch Andreas N. Tarkmann weist neben der Baritonpartie acht Instrumente auf. Zwei Streichquartettformationen und damit ebenfalls acht Musiker werden auch für das Oktett Es-Dur op. 20 von Felix Mendelssohn Bartholdy benötigt. Typisch für Kammermusik war in jedem Fall, dass es keinen Dirigenten gab und dass jede Stimme nur von einem Musiker gespielt wurde. Mit den insgesamt 24 Musikern aus dem Gärtnerplatztheater war diesmal ein Drittel des Orchesters nach Puchheim gekommen. Das war ebenso Rekord wie die Tatsache, dass das Konzert bis auf den letzten Platz ausverkauft war.

Dvořáks Serenade steht in ihrer klanglichen Offenheit und Klarheit in der Tradition dieser Gattung aus dem 18. Jahrhundert. Das majestätische Schreiten im Kopfsatz Moderato wirkte wie ein Vorhang, der die Ohren für die Musik öffnete, die wie das frohe Leben auf dem Land daherkam. Böhmisches Musikantentum prägte das Minuetto, und in die melodischen Bögen, die sich ergaben, setzten einzelne Instrumente motivische Impulse. Das hervorragend austarierte Zusammenspiel war eine Kombination aus Musizierlust und Noblesse. Wie ein Stück gelungener Filmmusik klang das Andante, in dem sich über einem stetig wiederholten Motiv schön geführte Spannungsbögen entfalteten. Raffinesse hatte der Presto-Finalsatz, der mit seinen neckischen Einwürfen an einen böhmischen Tanz erinnerte.

Die Bearbeitung der Kindertotenlieder von Gustav Mahler für Bariton, Klarinette, Fagott, Violine, Kontrabass, Trompete, Posaune und Schlagwerk lässt nicht auf den ersten Blick erkennen, mit welcher musikalischen Sensibilität hier vorgegangen wurde. Die hohe Konzentration, die zwischen den Musikern entstand, war der ernsten Stimmung dieser Vertonungen mehr als angemessen. Auf diese Weise erzeugte die Geigenstimme, die sich in "Nun will die Sonn' hell aufgehn" sorgsam an die Singstimme von Christoph Filler anschmiegte, eine wunderbare Spannung. Kraft und Stringenz prägte das hell timbrierte zweite Lied "Nun seh' ich wohl, warum so dunkle Flammen". "In diesem Wetter, in diesem Braus" legte die Grenzen der Tonalität offen, stimmig korrespondierend mit den ruhigen Bläserakkorden am Schluss.

Mendelssohns Oktett, das nach der Pause erklang, ist ein wahrer Geniestreich des jungen Komponisten. Die Musiker interpretierten diese filigran ausbalancierte, lichte Stimmung ebenso mit Leidenschaft wie mit Zurückhaltung und trafen so absolut ins Schwarze. Am Ende kamen sofort Bravo-Rufe auf - absolut berechtigt und alles andere als der Normalfall.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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