Puchheim:Geschmackssache

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Stefan Kröll blickt in seinem Programm vom Ebersberg auf die große Landeshauptstadt. Selbstdarstellungssucht und Zuagroaste inklusive. (Foto: Günther Reger)

Gelungene erste Puchheimer Brettlnacht mit Luft nach oben

Von Edith Schmied, Puchheim

Willkommen im Norden Bayerns. Dort zumindest spielt sich ein erheblicher Teil der ersten Puchheimer Brettl Nacht ab. Vor allem dann, wenn Helmut A. Binser und Mathias Kellner auf der Bühne des Puc stehen und die gängigen Klischees über den eher aussichtslosen Kampf gegen Alkoholexzesse bedienen. Um dem zu folgen braucht es eine gewisse Nähe zu dem handfesten How-Dow-Dialekt der beiden. Wenn Kellner seine Zeitmaschine anwirft dann nimmt er die Zuhörer mit auf die Promillestrecke seiner Jugend mit Shuttleservice in die weit und breit einzige Kneipe "Kairo", zum Schluckwunder Bernie, der Zombieparade, die trotz bereits einsetzender Schnappatmung noch Suchtrupps ausschickt um an Stoff zu kommen. Man wünscht Kellner, dass er den Fund, einen leicht grünlichen Eierlikör mit gräulichem Pelzhäubchen, nicht in einem heroischen Selbstversuch probiert hat. Diese halbauthentischen Geschichten sind zwar ganz witzig aber Kellners Begabung liegt eindeutig in seiner Musikalität. Wenn der Songwriter und Bandleader zur Gitarre greift und seinen respektablen Resonanzkasten in Schwingung bringt, dann ist das Blues vom Feinsten.

Auch Helmut A. Binser hadert mit dem Tag danach. Allerdings wirft er den Vorsatz, "i trink nie wieder Alkohol" bereits auf der Bühne über Bord und greift entspannt zum Bierglas. Seine guten Vorsätze packt er in Gstanzl und eigenwillige Reime, in denen Bidet und Jagatee wie selbstverständlich zusammenfinden. Seine anschaulichen Wortwitze haben eindeutig Oberpfälzer Flair. Wie sehr Handys ins Leben eingreifen und mitunter auch Schicksal spielen, erzählt Binser in einem witzigen Song. Da landet das Teil zwischen Milz und Magen und düdelt dort fröhlich vor sich hin.

Eine angenehme Auflockerung im Vierergespann der bayerischen Kabarettisten dieses Abends ist Christine Eixenberger. "Lernbelästigung" heißt ihr Programm, in dem sie als selbsternannte Bastelschlampe aus dem Nähkästchen der deutschen Schullandschaft plaudert. Sie tut das auf charmante, fröhliche Weise, schauspielert sich gekonnt durch die Typengalerie des bayerischen Schulalltags und verpasst der Bildungspolitik so manchen gelungenen Seitenhieb. In kaum einem Klassenzimmer wird das Thema Sexualkunde wohl so entspannt abgearbeitet wie von der Kabarettistin, die bereits mit Wolfgang Krebs beim Bayerischen Rundfunk die Sendung "Habe die Ehre" moderierte. Sie klimpert auf der Jukulele, nennt das Dingelchen verschmitzt beim Namen und kann sich dabei selbst das Feixen kaum verkneifen. Ein temperamentvoll getanztes Hexen-Einmaleins ist die Metapher für die willkürliche Einteilung der Lehrer in Bayern und gleichzeitig ein gelungener Abgang.

Wenn Stefan Kröll von Ebersberg aus auf die Landeshauptstadt blickt, erfährt der Zuhörer eine Menge aus dem Innenleben eines Landeis. Das "Projekt Minga", so der Titel seines Programms, gibt eine Menge her. Von der magersüchtigen Freundin, die eine Bank mit ihren Knochen zerkratzt und der die Enten aus lauter Mitleid das Futter aus dem Teich zuwerfen, bis zum Schaulaufen in der Fußgängerzone. Dazu kommen eine Menge Missverständnisse, die auf sprachliche Eigenheiten zurückzuführen sind. Krölls Auftritt ist eine Crossover Nummer in die er allerhand wirres Zeug hineinpackt. Historisches aus der Stadtgeschichte ebenso wie Beamten-Bashing - Pferde will er mit Beamtenblut einschläfern. Das Verarschen von Skinheads geht dabei in die Hose, das eines Preissn ist ein klarer Erfolg: Heinz aus Bremen muss daran glauben und einen Ziegenliter, sprich Goaßnmaß, auf ex austrinken.

Der erste Versuch das breite Spektrum der jungen bayerischen Kabarettszene an einem Abend zu zeigen ist in der Puchheimer Brettl Nacht jedenfalls gelungen. So unterschiedlich wie die Beiträge waren auch die Reaktionen des Publikums. Alles eine Frage des Humors und des persönlichen Geschmacks.

© SZ vom 26.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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