Puchheim:Feministische Multimedialität

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Zwischen ausdrucksstarken Bildern und technischen Geräten: Sophie Ramirez, Milena Wojhan und Enya Burger überwinden mit der Ausstellung "Who is she" im Kunsthof Harbeck die Grenzen der Zweidimensionalität. Für sie ist es ein Emanzipationsprozess

Von Dorothea Gottschall, Puchheim

Ein in rotes Licht getauchter Raum und pfeilschnelle Ventilatorenflügel - leuchtende LED-Buchstaben, mit denen Gedichtverse von Richard Brautigan projiziert werden: Milena Wojhans Kunstinstallation ist nicht nur im optischen Sinne reizvoll. Auch ein gleichmäßiges Summen der zahlreichen elektrischen Geräte umgibt den Betrachter im Ausstellungsraum des Kunsthofs Harbeck. "Wir befinden uns quasi in einem kybernetischen Paradies", schildert die Münchner Künstlerin die Intention hinter ihrem Werk "Spinning Blossoms". Beinahe hätte man die Maske übersehen, die von einer Ecke aus auf die poetisch beschrifteten Handventilatoren blickt. Dabei erweist sich eine nähere Betrachtung als lohnenswert: "Sie ist ein Abbild der Maria Magdalena, einer Ikone, die in meinen Augen jahrtausendelang degradiert wurde," so Wojhan. Wenn es nach ihr ginge, sei eine Würdigung der kontrovers diskutierten Figur überfällig: "Viel zu lange eilte ihr der Ruf einer Büßerin voraus." Wojhans künstlerischer Ansatz wagt hier den Versuch, das emanzipatorische Potenzial dieser biblischen Person an den Schnittpunkten zwischen Technik, Weiblichkeit und Natur auszudrücken.

Ein Künstlerinnentrio, das sich ergänzt und Farbe sehr gezielt einsetzt: Sophie Ramirez, Milena Wojhan und Enya Burger (von links). (Foto: Carmen Voxbrunner)

Was die Experimentierfreudigkeit mit multimedialen und -dimensionalen Perspektiven angeht, bildet diese Installation keine Ausnahme. Gemeinsam mit Enya Burger und Sophie Ramirez von der Kunstakademie Düsseldorf ist Wojhan Teil eines Künstlerinnentrios, das in seiner Ausstellung "Who is she" den Facettenreichtum feministischer Weiblichkeit erprobt. Sie thematisieren dabei Spannungsfelder wie das Verhältnis von weiblichem Selbstverständnis und Inszenierungen, den Einfluss der Digitalisierung auf Geschlechterrollen und den Umgang mit der vermeintlich sexuellen Freiheit, die das Internet verspricht. Und welchen Platz nehmen eigentlich Schönheitsideale in Zeiten von Gender Studies, Body Enhancing und Biopolitik ein? So abwechslungsreich die Themen von auch ausfallen, eine übergeordnete Antwort auf ihre Fragen gibt es nicht: "Wir möchten keine dogmatische oder einschränkende Position einnehmen. Bei Who is she geht es darum, viele verschiedene Perspektiven koexistieren zu lassen, also gewissermaßen mit der Offenheit zu spielen", erläutert Ramirez.

Nach der Erarbeitung der Ausstellung hätten sich sogar noch mehr Fragezeichen als vorher aufgetan, erinnert sich Burger. In ihrem persönlichen künstlerischen Prozess fokussierte sich die Düsseldorferin auf die Analyse gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Burger sei es hierbei vor allem um das "Aufzeigen und Sichtbarmachen" gegangen. Ihr Performancevideo "Gatekeeper", das im ehemaligen Stall des Gutshofs gezeigt wird, beschäftigt sich mit Medien und der beinahe ubiquitären Verfügbarkeit von Frauenbildern im Internet. Die Personen in ihrem Film befinden sich inmitten eines Drehkreuzes aus vielen Glastüren. Während der Großteil es gemeinsam in die selbe Richtung dreht, zeigt das Video auch, wie gewaltvoll Akteure aus dem Kreis gezerrt werden, wenn sie versuchen den Rhythmus oder gar die Drehrichtung zu ändern. Zum Ende hin ist nur noch eine Person zu sehen, die die Glaskonstruktion am Laufen hält. Es liegt im Auge des Betrachters, wer hier die Macht über den Diskurs im medialen Raum einnimmt.

Im Kunsthof finden sich sorgsam illuminierte und vielfältige Installationen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Früher waren es Fernsehsender oder Magazine wie der Playboy, die als Gatekeeper agierten, wenn es um den Zugang zu Frauenbildern und diversen Formen von Weiblichkeit ging. "Heute übernehmen praktisch nur noch Eltern diese Rolle." Sie würden versuchen, mit speziellen Programmen den Internetkonsum ihrer Jüngsten zu kanalisieren, erläutert Kuratorin Ilka Kloten die schwindende Bedeutung dieser "medialen Türsteher".

Über ihre Ausstellungsreihe Junge Positionen möchte sie die Sichtbarkeit von jungen Kunstschaffenden erhöhen. Mit Who is she gelingt es Kloten in diesem Jahr, auch Künstler außerhalb Münchens einzubinden und dem Publikum eine Bandbreite feministischer Positionen zu präsentieren. Über die befreundete Kunstsoziologin Nina Tessa Zahner habe sich der Kontakt zu Burger und Ramirez ergeben. Diese wiederum lernten Wojhan über die Plattform Instagram kennen: "Nach mehreren Gesprächen stellten wir fest, dass wir ähnliche Erfahrungen im beruflichen und persönlichen Bereich gesammelt haben. Unsere Art zu arbeiten hat von Anfang an gut zusammengepasst", berichtet das Trio.

Die Instalationen sind sehr facettenreich. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Tatsache, dass Ramirez, Wojhan und Burger in Who is she die Grenzen einer ausschließlich zweidimensionalen Ausstellung überwinden, stellt für sie einen Emanzipationsprozess in sich dar: "Die Arbeit an elektronischen und technischen Installationen wird immer noch als sehr männlich konnotiert", bemerkt Ramirez. Ihr thematisches Interesse ist hauptsächlich körperlicher Natur: "Mich beschäftigt in meinen Werken das biologische Optimierungspotenzial, dem viele weibliche Personen versuchen gerecht zu werden." In "My First Music Video" ist Ramirez' popfeministischer Zugang zu diesem Thema erkennbar. Ein kleiner Handybildschirm zeigt die Künstlerin, wie sie sich knapp bekleidet zu einem eigens produzierten Song bewegt. "Das Erscheinungsbild von Frauen wird schnell sexualisiert, auch im privaten Bereich. Bei Stars wie Nicki Minaj hat sich jedoch eine freizügige Körperkultur etabliert, die mit ihren extremen Bewegungen eine Nähe zur Pornografie aufweisen. Davon versuchen sie sich wiederum öffentlich zu distanzieren." In "My First Music Video" nähert sich Ramirez diesem widersprüchlichen Narrativ und verkörpert den Diskussionsstoff mit ihrer eigenen weiblichen Bildwelt. Dass Feminismus schon lang nicht mehr einer vorgeschriebenen Definition folge, sondern ein ganzheitliches Unternehmen sei, betont Kunstsoziologin Zahner in ihrer Eröffnungsrede. Den drei Künstlerinnen jedenfalls gelingt dieses Vorhaben in Who is she mit Bravour.

Um den Künstlerinnen ins Gespräch zu kommen, veranstaltet der Kunstverein München einen ausstellungsbegleitenden Open Talk am Samstag, 16. Oktober. Adresse: Galeriestraße 4. Nähere Informationen unter www.kunstverein-muenchen.

de. Im Kunsthof Harbeck an der Allinger Straße 20 ist "Who is she" noch bis zum Sonntag, 21. November, zu sehen; Öffnungszeiten mittwochs von 17 bis 19 Uhr sowie sonntags von 14 bis 16 Uhr.

© SZ vom 05.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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