Puchheim:Entwaffnender Humor

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Simon Pearce begegnet dem täglichen Rassismus mit viel Selbstironie und verarbeitet seine Erfahrungen zu einem herrlich lockeren und intelligenten Kabarettprogramm

Von Valentina Finger, Puchheim

Das Finale des Kabarettwettbewerbs Paulaner Solo+ konnte Simon Pearce im vergangenen Jahr nicht erreichen. In der Vorrunde musste er sich in Fürstenfeldbruck gegen eine Karnevalsrednerin und ein Vokalensemble geschlagen geben. Auch sie waren lustig, klar. Doch Pearce hat etwas, das die Gewinner nicht hatten: Ein Bühnenprogramm, das seine Lebensgeschichte ganz natürlich mit aktuellen sozialen Konflikten vereint. Als Sohn eines Nigerianers hat Simon Pearce dunkle Haut und krauses Haar. Doch als Sohn einer bayerischen Volksschauspielerin ist er auch bis zum derben Dialekt durch und durch Bayer. Diese in Kombination ungewohnt wirkenden Pfeiler seiner Identität sind der Kern seines Solo-Debüts "Allein unter Schwarzen", mit dem er am vergangenen Freitag im Puchheimer Puc auftrat.

Simon Pearce ist in Puchheim aufgewachsen. Einige der Zuschauer haben mit ihm Abitur gemacht oder kennen ihn noch aus seiner Zeit zu Hause in der Friedenstraße. Auch seine Mutter sitzt im Publikum, die unter anderem als Darstellerin in "Peter Steiners Theaterstadl" bekannte Christiane Blumhoff. Sie bekommt im Programm ihres mittlerweile in München lebenden Sohnes so einiges ab: So habe die zierliche blonde Frau aufgrund ihrer strengen Bio-Küche den Verlust seines Zahnfleisches zu verantworten. Trotz ihres im Vorgarten Hasen und Hühner schlachtenden afrikanischen Ehemannes sei die Hippie-Mama immer die eigentlich Wilde in der Familie gewesen.

Pearces größtes Talent ist seine unaufgesetzte Selbstironie, mit der er Szenen von Alltagsrassismus begegnet. Selbstredend habe er seine Gewandtheit noch vom Antilopenjagen beibehalten und als Kind am liebsten mit Ästen gespielt. Bei Freunden habe er als augenscheinlich armer schwarzer Bub stets als einziger zum Essen bleiben dürfen. Aus den zahlreichen Polizeikontrollen, dem Klassiker unter den selbstironischen Schwarzen-Witzen, habe er eine Schmuggler-Geschäftsidee für Weiße entwickelt. Und seiner kleinbürgerlichen Münchner Nachbarin, die ihn zurück zu den anderen Kannibalen in den Urwald schicken will, begegnet er im Baströckchen mit einer Essenseinladung.

So sehr er sich über die Engstirnigkeit der einen lustig macht, so geht ihm auch die betonte Über-Toleranz anderer auf den Geist. Von ununterbrochen reisenden Gutmenschen, die in ihrer esoterischen Eine-Welt-Gesinnung gar keine Bezeichnung für dunkelhäutige Menschen mehr für richtig halten, hält Pearce nichts. Das ehrliche "Neger" seines früheren Wertstoffhof-Kollegens Kurti sei ihm lieber als das "Maximalpigmentierter" der Pseudo-Toleranten. Im Prinzip propagiert Simon Pearce auf herrlich lockere Weise einen Mittelweg im interkulturellen gesellschaftlichen Miteinander.

Abgesehen vom Humor, ist es die familiäre Atmosphäre, die seinen Auftritt in Puchheim besonders macht. Der Großteil der Geschichten, aus denen sich das Programm des 35-jährigen Stand-up-Comedians zusammensetzt, spielt sich an Orten in der Gegend ab, die auch sein Publikum kennt, darunter der örtliche Wertstoffhof, die Kennedy-Siedlung oder der Olchinger See. Das Einzigartige an Simon Pearce ist, dass er anders und doch ganz genauso ist wie die Leute um ihn herum. Scherzen darf der so salopp bairisch daherredende Halb-Afrikaner deshalb über alle: über Schwarze, über Bayern, über Papa, über Mama und natürlich über sich selbst.

Als Basketballspieler oder Gangster habe er sich trotz seiner Hautfarbe nicht behaupten können, erzählt Pearce. Weil seine Gabe vielmehr "die Macht der Worte" sei, habe er den "lustigen Schwarzen" als verbleibende Klischee-Lösung für seine Laufbahn gewählt. Es mag diese Gabe sein, die es Pearce möglich macht, so erfrischend komisch und jenseits von politischer Korrektheit über rassistische Anfeindungen zu schwadronieren. Dadurch wird "Allein unter Schwarzen" zu intelligenter und unanstrengender Bühnenunterhaltung.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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