Puchheim:Ein halbes Jahrhundert der Vielfalt

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Zum 50-jährigen Bestehen des Planie-Viertels in Puchheim erinnert eine kleine Ausstellung an dessen Entwicklung von der Mülldeponie zur multikulturellen Wohnsiedlung

Von Peter Bierl, Puchheim

Die Geschichte des modernen Puchheims ist verknüpft mit der des Mülls. Die Hausmüllverwertung München GmbH nahm 1897 südlich der Bahnlinie in dem Moorgebiet ihren Betrieb auf, ein Unternehmen, das wegen seiner modernen Methoden sogar in den USA beachtet wurde. Die Sortierung und Deponierung von Müll aus München auf Puchheimer Flur, auf der so genannten Planie, endete erst 1949. Auch die weitere Entwicklung Puchheims ist eng mit der Landeshauptstadt verbunden. Denn der Münchner Boom führte zu raschem Wachstum im Umland. So wurden seit Mitte der Sechzigerjahre auf der früheren Müllkippe Wohngebäude errichtet, darunter einige Hochhäuser, die bis heute die "Skyline" des Ortes prägen. Vor fünfzig Jahren, 1966, wurde außerdem das neue Rathaus eingeweiht.

Dieses Jubiläum ist Anlass für eine kleine Ausstellung in den Räumen des Stadtteilzentrums. Unter dem Titel "Facetten der Planie - Das Puchheimer Manhattan" sind bis zum 25. Mai Fotos, Gemälde und Zeichnungen von Kindern zu sehen. Zusammengestellt wurden die Exponate von den Mitarbeiter des Hauses, Aveen Khorschied, Martin Kulzinger und Rahel Rose.

Fast 3000 Menschen leben heute in dem Quartier, das von manchen als "Glasscherbenviertel" scheel angesehen wird. Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) sprach bei der Eröffnung der Ausstellung dagegen von einem gelungenen Beispiel dafür, wie Zusammenleben in der Vielfalt funktionieren kann. "Es ist ganz gewiss ein Gewinn, dass Puchheim die Planie hat", sagte er dazu.

Das älteste Foto in der Ausstellung stammt von 1940, als die Nazis Europa unterjochten. Das Bild zeigt einen Bagger, der über die Müllkippe fährt. Daneben hängen Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem Stadtarchiv, die die Pionierzeit der Planie-Siedlung dokumentieren. Als Wahrzeichen darf jenes Bild gelten, das einen Hirten zeigt, der eine Schafherde entlang der Straße treibt, im Hintergrund ist ein Hochhaus zu sehen, links und rechts davon Brachland. Andere Fotos erinnern an den Abriss des schönen alten Bahnhofsgebäudes sowie den Bau der Umgehungsstraße FFB 11.

Alle Bewohner der Siedlung sind Migranten. Die meisten kamen wohl aus den norddeutschen, protestantischen Malariagebieten, wie Gerhard Polt es formuliert hat. Eine große Gruppe stammt aus Anatolien, wie das Bild einer türkischen Tanzgruppe zeigt, die inmitten der Hochhäuser 1975 ihre Stücke aufführte.

Dazu haben Kinder in diversen Workshops über Graffiti oder das Projekt "Essbare Stadt" Bilder gemalt, die gezeigt werden. Hans-Dieter und Elfriede Oberle haben wunderschöne Aufnahmen von der Planie und ihrer Umgebung, etwa dem Entenweiher und der Pappelallee, beigesteuert. Sie zeigen das Viertel in verschiedenen Jahreszeiten.

Manches Motiv taucht in den Gemälden wieder auf, die das Rathaus aus seinem Fundus beigesteuert hat. Angelika Brach widmete dem Entenweiher 1981 ein Acrylgemälde. Beeindruckend ist ihre winterliche Impression, die verschiedene Etappen der Entwicklung des Gebietes aufgreift. Zu sehen sind die schwarze Erde des ursprünglichen Mooses, die braune Bodendecke der Deponie, kleine Siedlerhäuser der Grattler aus dem Moos, wie sie von den stolzen Bauern aus dem Altdorf genannt wurden, und die Silhouette der Hochhäuser. In einem eher expressionistischen Stil hat Rudolf Wöretshofer aus Gröbenzell die Kirche und das Pfarrzentrum festgehalten.

Andere Fotos wiederum schlagen einen Bogen zur Gegenwart. Festgehalten ist da beispielsweise das große Kulturale-Festival vom vergangenen Jahr oder die Newroz-Feier, das kurdische Neujahrsfest, das am 21. März im Stadtteilzentrum gefeiert wurde. Aber auch der Müll bleibt ein großes Thema: Zu sehen sind Quartiersbewohner aus verschiedenen Nationen beim Ramadama. Dabei handelt es sich freilich nicht um eine islamische Fastenaktion, sondern das Einsammeln von Unrat in Stadt und Land durch die Bürger, das bis heute in Bayern unter diesem Begriff aus der Nachkriegszeit firmiert. Abgelichtet wurden auch die Teilnehmer eines Workshops zur Mülltrennung. Deren Details sind überall anders geregelt, so dass sich jeder schon bei einem Umzug in den Nachbar-Landkreis fremd vorkommt.

Ausstellung "Facetten der Planie - Das Puchheimer Manhattan", noch bis zum 25. Mai im Stadteilzentrum.

© SZ vom 20.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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