Puchheim:Die Stimme des Steins

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Der Felsbrocken und das blaue Mosaik sollen an Moses erinnern, der mit einem Stockschlag gegen einen Felsen sein Volk vor dem Verdursten rettete. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Gabriele Schlüter enthüllt die erste Station ihrer Installation aus alten Pfosten und Bibelzitaten. Damit regt sie die Besucher zur Reflexion an.

Von Edith Schmied, Puchheim

Seltsame Stockschläge dringen durch diesen leicht verhangenen Sonntagvormittag vor der evangelischen Auferstehungskirche in Puchheim. Immer zwei Mal hintereinander ist dieser harte Klang zu hören. Ein Marmorblock, einer Bergspitze gleich, lässt dies unbeeindruckt über sich ergehen. Lediglich ein paar Spuren sind zu erkennen, rote Striche, die der Stock hinterlassen hat. Wie ein Fels in der Brandung steht er da.

"Ein Symbol für das Harte im Leben, das sich uns entgegenstellt". So interpretiert Markus Ambrosy, der Pfarrer der Evangelischen Auferstehungskirche, das Kunstwerk der Werkpädagogin Gabriele Schlüter, das im Rahmen des Gottesdienstes an diesem Sonntag auf dem Vorplatz der Kirche enthüllt wird.

Fantasie ist gefragt, um den Hintergrund dieser Installation zu entschlüsseln. Nachhilfe gibt der Pfarrer im Laufe des Gottesdienstes. Er greift die Geschichte aus dem vierten Buch Moses, zwanzigstes Kapitel, auf, welche die Puchheimer Künstlerin zu ihrem Werk inspiriert hat. Der Legende nach schlug Moses mit einem Stab zwei Mal gegen den Fels Horeb. Das heraussprudelnde Wasser rettete sein Volk nach einem entbehrungsreichen Marsch vor dem Verdursten. Pfarrer Ambrosy zieht die naheliegende Parallele zu den aktuellen Flüchtlingsströmen. "Auch sie klopfen an", sagt er.

Die krummen, verbogenen Pfosten vor der Kirche trugen ursprünglich weiße Lichtkugeln und sollten eigentlich in einer Fräsübung der örtlichen Feuerwehr entfernt werden. Soweit kam es zum Glück nicht. Schließlich inspirierten sie die Puchheimer Künstlerin dazu, drei Bibelzitate künstlerisch umzusetzen. So ist aus etwas Altem neue Kunst geworden. Kunst zum Anfassen und zum Nachdenken. Ein Denkmal, das im wahrsten Sinne des Wortes dazu auffordert, in sich zu gehen und zu reflektieren.

Die erste Skulptur stellt Ambrosy in den Mittelpunkt seiner sonntäglichen Ansprache. "Klopfe an und höre", so lautet die Botschaft bei der Stele. Sie steht auf zwei Brettern, die seitlich neben dem Fels stehen und stammen von der Kalligrafin Maria Rothbuchler. In einem kleinen, weiß gestrichenen Pfosten steckt der rot gefärbte Stock. Sprudelndes Wasser umgibt den Fuß des Marmorblockes. Es ist kein echtes Wasser, aber das Mosaik von Lisa Westermann-Wahlers mit seinen blau-grünen Steinchen und den Spiegelsplittern erweckt einen realistischen Eindruck dieses lebensspendenden Elements. Die Einfassung aus Marmorsteinchen symbolisiert die Wüste, in der nichts wächst. Doch die Natur lässt sich offensichtlich nicht austricksen. Zwischen den Steinchen sprießt neues Leben. Für Gabriele Schlüter ein Zeichen dafür, nicht aufzugeben.

Diese Installation unter freiem Himmel wird zwar irgendwann versteigert werden, einfach "um die Kosten zum Teil hereinzubringen", sagt Ambrosy. Aber bis dahin ist sie für jedermann frei zugänglich. Die anderen beiden Stationen, die im Moment noch von rotem Stoff verhüllt sind, werden Schlüter und Ambrosy an den kommenden beiden Sonntagen, jeweils um 10 Uhr enthüllen. Die erste Station, der Fels, steht da, verbunden mit der Hoffnung, dass der Aufforderung, "nimm den Stock und schlage", viele Kirchenbesucher und Passanten folgen werden. Nach dem Gottesdienst tun das einige. Die einen voller Energie, vielleicht auch aus Wut auf irgendetwas im Leben. Die anderen eher zögerlich, verhalten, dem Klang des Schlages und dem Abprall des Stockes nachspürend. Es entwickeln sich Gespräche ganz im Sinne eines Gedichtes, das Gabriele Schlüter auf die Rückseite des Steines geschrieben hat. "Immer wieder anklopfen - nicht aufgeben - deine (eigene) Quelle zu finden - du hast die Gabe zu hören - zu spüren - deine inneren Stimme - folge ihr."

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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