Puchheim:Der Baby-Test

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Ganz schön stressig können die Nächte mit einem Baby sein. Das erfahren die Mädchen bei der Aktion des Familienstützpunkts. (Foto: Karl-Wilhelm Götte)

Füttern, wickeln, wiegen: Puchheimer Schülerinnen erproben das Leben mit einem Säugling

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

Die vier "Babys" liegen im Puchheimer Familienstützpunkt auf einem Tisch. Die "Mütter" sitzen davor und horchen gespannt auf die Regungen der Kinder. Die vier Mädchen sind Teilnehmerinnen eines "Elternpraktikums", das der Familienstützpunkt mit dem Münchner Verein für Heilpädagogische und psychotherapeutische Kinder- und Jugendhilfe (hpkj) anbietet. Die Babys sind computergestütze Simulatoren. Plötzlich schreit die Lamias Puppe. Schnell findet die 16-jährige Schülerin heraus, dass das Baby gewickelt werden muss. Reihum melden sich die Kind. Die Mütter füttern, wickeln oder wiegen sie.

Eine Nacht mit den Babysimulatoren haben die 16-Jährigen, die in die 9. Klasse der Puchheimer Mittelschule am Gerner Platz gehen, schon hinter sich. Drei wirken einigermaßen erschöpft. Jetzt wird das bisher Erlebte ausgewertet. Familienstützpunkt- und Projektleiterin Ursel Eichinger, selbst Mutter von zwei Kindern, fragt die Mädchen, wie es ihnen ergangen ist. "Ziemlich ruhig war es tagsüber", berichtet Henna. "Aber nachts hat sich das Baby jede halbe Stunde gerührt." Immer wieder habe sie das Kind wickeln, ihm Essen geben oder es auf den Arm nehmen müssen. "Das ging bis 8.30 Uhr so", erzählt Henna, "Ich bin fast wahnsinnig geworden." Lamia hat ähnliches erlebt. "Es hat im Halb-Stunden-Takt geweint", sagt sie. "Ich wusste gar nicht, was los ist." Es sei "voll stressig" gewesen. Ihre Mutter habe ihr geholfen.

Maggi hat beim Einkaufen einen Zwischenfall erlebt. "Ich musste das Baby im Supermarkt auf der Gemüsewaage wickeln", berichtet sie. Tagsüber kamen neugierige Freunde mit Kindern zu Besuch. Das Baby reagierte auf die Unruhe mit Schreien. "Ich musste es die ganze Zeit wiegen", erzählt Maggi weiter. Nachts sei das Kind eher ruhig gewesen. Wenn die Puppe schreit, müssen sich die Mütter mit einem Chip bei ihr registrieren, damit sie aktiv werden können. Die Puppen simulieren ein etwa dreimonatiges Kind. "Prima, ihr stützt alle den Nacken", lobt Seminarleiterin Eichinger. Stella erzählt von einer Nacht, in der "nicht so viel passiert ist". Das Baby sei viermal aufgewacht. Füttern und Windel wechseln habe sie alleine erledigt. Ihre Mutter habe ihr geraten, auch zu schlafen, wenn das Baby schläft. Dann hört man es ruhig atmen. "Das ist schön", sagt Henna.

Es folgt ein weiterer Praxistest: Der Besuch einer Drogerie. Die Mädchen schnallen ihr Babytragesystem um, platzieren die Puppe vor dem Bauch und laufen die Lochhauser Straße entlang. In der Drogerie versammeln sie sich vor dem Windelregal. "Wir wollen herausfinden, was die Windeln kosten", sagt Stefan Schelle, der Projekt-Koordinator des Vereins hpkj. Schnell wird klar, dass die Einser-Windeln für die ganz Kleinen preiswerter sind als die für die älteren Kinder. 3,35 Euro kosten 24 Windeln vom führenden Hersteller. "Statistisch werden sechs Windeln pro Tag benötigt", erläutert Schelle. Plötzlich schreit Hennas Baby wieder. Da es keinen Wickeltisch in der Drogerie gibt, wird das Kind kurzerhand auf der Ablage in der Fotoecke gewickelt. "Auf Vorrat wickeln geht nicht", gibt Ursel Eichinger den Mädchen mit auf den Weg. "Die Abschreckung, zu früh Mutter zu werden, steht nicht im Vordergrund", erklärt Leiterin Eichinger. Das Pilotprojekt solle umfassend informieren, was die Betreuung eines Kindes erfordert. Das scheint zu gelingen, sind doch die Mädchen allesamt sehr dankbar für die Erfahrung, wie es ist, ein Kind zu haben.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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