Puchheim:Das Stadtzentrum von morgen

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Puchheims Kommunalpolitiker debattieren seit Jahrzehnten über die Ortsmitte. Zu der gehört mittlerweile auch die Planie. Mit dem Umbau des Jugendzentrums hat die Neugestaltung begonnen

Von Peter Bierl, Puchheim

Wenn Politik wie das Bohren dicker Bretter ist, drängt sich manchmal der Eindruck auf, das Brett ist zu hart, der Bohrer stumpf oder der Mensch, der ihn betätigt, hat zwei linke Hände. In Puchheim dauerte es Jahrzehnte, bis die Umgehungsstraße für das Altdorf gebaut wurde, und ob die Pendler einen Zehn-Minuten-Takt für die S-Bahn vor dem Sankt Nimmerleinstag bekommen, ist ungewiss. Dafür schreitet die Umgestaltung des Ortszentrums voran. Im Herbst konnte das neue Jugendzentrum eingeweiht werden, über die Details von zwei bis drei Neubauten brüten die Architekten, und vergangene Woche machte der Bürgermeister einen großen Coup publik: Die Stadt will über 100 Wohnungen im Planie-Viertel kaufen, um die Sanierung maroder Gebäude voranzutreiben, die die großen Immobiliengesellschaften nicht angehen wollen.

In den Sechziger- und Siebzigerjahren wuchs Puchheim-Bahnhof, wie die ehemalige Siedlung im Moor heißt, rasant an. Damals entstanden Gebäude und Anlagen, die heute das Zentrum prägen: Die Hochhäuser auf der Planie, der Alois-Harbeck-Platz, die Kirche Sankt Josef mit dem Gemeindezentrum sowie das Rathaus wurden auf der früheren Müllkippe von München errichtet. Der Gemeinderat stoppte schließlich den Zuzug bei etwa 18 000 Menschen, weil die Infrastruktur nicht ausreichte. Rund 50 000 Einwohner hatte der Architekt und SZ-Karikaturist Ernst-Maria Lang in seinem Flächennutzungsplan vorgesehen.

Die Kommunalpolitiker planten eine Altenwohnanlage, ein Sportzentrum, einen Kindergarten und eine Schule sowie eine Bahnunterführung für Fußgänger und Radler anstelle der Bahnschranke, die lange Staus verursachte, und befassten sich mit einer "Ortsmittenplanung". Erste Gutachten wurden erstellt. Für den Bürger sollte eine Umgebung zum Wohlfühlen im Zentrum geschaffen werden. Zeitgemäß stand ein Bürgerhaus auf der Wunschliste, daraus wurde nach einigem Hin und Her das Kulturzentrum Puc, das als architektonisches Wahrzeichen der Kommune gilt.

Zur Kommunalwahl 2002 trat die SPD mit der Forderung nach einem neuen Ortszentrum an. Sie wählte dafür den Slogan "Neue Mitte Puchheim", inspiriert von Gerhard Schröders Begriff für seinen neoliberalen Kurs, über den im Ortsverein heftig gestritten wurde, wobei die alten Gewerkschafter klar in der Minderheit waren. Daraus ist ein Konzept geworden, das zusammen mit dem Projekt "Soziale Stadt" für die Planie, von allen Parteien getragen, durchaus klassisch sozialdemokratisch genannt werden kann.

Die anderen Parteien griffen das Thema auf, die Grünen wollten eine dichtere, urbane Bebauung, die CSU die Bahngleise in ein Tunnel verbannen, um die Trennung des Ortes aufzuheben. Ende 2004 gewann der Architekt Daniel Meister aus Ulm einen ersten städtebaulichen Wettbewerb. Sein Plan sah vor, die Allinger und Lochhauser Straße zu Boulevards umzubauen, mit einem Streifen aus Parkplätzen und Bäumen in der Mitte. Nördlich der Bahnlinie sollte ein fünfstöckiges Parkhaus mit einem Café auf einem Turm, auf dem Grünen Markt ein Biergarten entstehen.

Dieses Konzept, genannt Perlenkette, stieß bald auf Widerspruch. Lediglich ein kleiner Teil der Allinger Straße wurde gemäß dem Meister-Plan umgebaut, in der Lochhauser Straße scheiterte die Idee, weil die privaten Grundeigentümer nicht mitmachen wollten. Im Herbst 2008 schlugen CSU und SPD gemeinsam den Bau eines neuen, kombinierten Bürger- und Rathauses am Grünen Markt vor. Formal hielt diese große Koalition am Perlenketten-Konzept fest, tatsächlich verschob sich der Fokus weg von der lang gezogenen Achse Allinger und Lochhauser Straße hin zu dem Viertel südlich der Bahnlinie. Die kleinen Parteien machten von Anfang an Front gegen das Großprojekt, in der Bevölkerung formierte sich eine Bürgerinitiative gegen den Abriss des alten Schulhauses, Baujahr 1928, dem einzigen Gebäude aus der Gründerzeit der Siedlung. Der Streit prägte die Debatte in den folgenden Jahren und führte zu einem Bruch in der SPD, als der damalige Bürgermeister Herbert Kränzlein aus finanziellen Gründen von dem Neubau abrückte. Der Fraktionsvorsitzende Christian Maier, der als Kronprinz galt, verließ den Gemeinderat.

Nach einer Bürgerwerkstatt im Frühjahr 2011 rückten CSU und SPD endgültig von ihrem Vorschlag ab. Die Kommunalpolitiker des inzwischen zur Stadt erhobenen Ortes fanden einen neuen Konsens: Die alte Schule und das Rathaus sollten saniert und das Jugendzentrum von der alten Schule in das Postgebäude umziehen, das die Stadt kaufte. Die Bibliothek neben dem Rathaus würde abgerissen, um Platz für dessen Erweiterung zu schaffen. Lediglich der marode Bürgertreff sollte durch einen Neubau ersetzt werden.

Diese Grundlinie hat der Stadtrat seither weiterverfolgt. Im Frühjahr 2015 gewann das renommierte Architekturbüro Behnisch den städtebaulichen Wettbewerb. Vorgesehen ist nun, hinter der alten Schule zwei bis drei neue Gebäude zu errichten, in denen Volkshochschule, Musikschule und Stadtbibliothek untergebracht werden sollen. An den Details wird noch gearbeitet. Dem Vorschlag von Behnisch zufolge wird der Grüne Markt als zentraler Platz neu gestaltet und über einen neuen Fußweg mit der Planie verbunden. Dort soll am Südende der Kennedywiese auch ein neues Souterrain-Parkdeck entstehen, das sich zur Hälfte im Boden befindet.

Die Einbeziehung der Planie ist das Neue an den aktuellen Plänen. Der Fußweg mit dem Namen "Straße der Kulturen" symbolisiert städteplanerisch, dass die Idee des neuen Ortszentrums inzwischen eine zweite, soziale Dimension hat. Die Bewohner des Quartiers, darunter viele Einheimische mit wenig Einkommen sowie Familien von Migranten und Flüchtlingen, sollen integriert werden. Zugleich mit dem neuen Konzept zur Ortsmitte beschloss der Stadtrat im Jahr 2011, sich um das Städtebauförderprogramm "Soziale Stadt" für das Planie-Viertel zu bewerben. Als Bremser haben sich jedoch die großen Immobilienunternehmen erwiesen, wie Bürgermeister Norbert Seidl (SPD) unlängst klagte. Diesen Firmen gehören die meisten der etwa 1200 Wohnungen in den Hochhäusern und Geschossbauten der Planie, in denen fast 3000 Menschen leben. Die Wohnungen, zum Teil 40 Jahre alt, sind in schlechtem Zustand. Die Bewohner klagen über Schimmel und defekte Heizungen.

Weil der Stadtrat das gesamte Quartier 2014 zum Sanierungsgebiet erklärt hat, verfügt die Kommune allerdings über einen Hebel, den sie jetzt ansetzen kann. Sie hat ein Vorkaufsrecht und will dieses nun in Anspruch nehmen. Auf einer größeren Fläche zwischen Heuss- und Adenauerstraße sowie der Kreisstraße FFB 11 wechseln mehrere Gebäude mit über 100 Wohnungen den Besitzer.

Lassen sich die Eigentümer nicht auf einen Vertrag mit der Stadt ein, die darin Sanierungen verankern kann, würden diese Immobilien in kommunalen Besitz übergehen. Sollte es dazu kommen, müsste die Stadt einen zweistelligen Millionenbetrag aufbringen, hätte dann aber die Chance, nach eigenem Gutdünken zu sanieren und zu gestalten und zwar so, dass die Bewohner am Ende nicht durch zu hohe Mieten vertrieben werden.

© SZ vom 23.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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