Puchheim:Balsam für eine bedrängte Seele

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"Musik entspannt mich", sagt der 13-jährige Loris Feser. Für den jungen Puchheimer hat diese Wirkung eine besondere Bedeutung. Er leidet an Autismus. (Foto: Günther Reger)

Für einen jungen autistischen Puchheimer bedeutet das Klavierspiel die einzige Entspannung - und vielleicht auch Berufsperspektive. Doch der 13-jährige Sohn einer alleinerziehenden Mutter und Hartz-IV-Empfängerin benötigt dringend ein neues Instrument

Von Christian Hufnagel, Puchheim

Zuerst stockt er: "Mir fällt nichts ein", murmelt er vor sich hin und man spürt, der Junge möchte sein Bestes geben. Er überlegt, senkt den Kopf. Seine langen Haare fallen über sein Gesicht, um unvermittelt in Wallung zu geraten und wie bei einem Konzertpianisten mit dem Rhythmus des Anschlags durch die Luft zu fliegen. Loris Feser scheint den Moment gefunden zu haben. Seine Finger gleiten sicher über die Tasten und zaubern eine Melodie in das Wohnzimmer, die sich wie eine leichthändige Improvisation von klassischen und jazzigen Elementen anhört. Die Musik hat den 13-Jährigen mitgenommen, so scheint es, bis er nach ein paar Minuten abrupt stoppt und mit leiser Stimme selbst beschreibt, was der Zuhörer zuvor wahrnehmen konnte: "Musik entspannt mich."

Mag diese Wirkung natürlich für viele Menschen gelten, die ein Instrument für sich und ihr Leben entdeckt haben, so ist sie für den jungen Puchheimer von ganz besonderer Bedeutung. Dass er eine "Künstlerpersönlichkeit" ist, wie Tine Feser ihren Sohn charakterisiert, ist als Eindruck zwar schnell zu gewinnen. Doch die eigentliche Tragweite ist nicht einmal zu erahnen. Diese offenbart Bernd Rieder, dessen Stiftung die alleinerziehende Mutter und Hartz-IV-Empfängerin seit Jahren finanziell unterstützt. Er spricht von einer "furchtbaren Krankheit, die man nicht sieht". Loris leidet am Asperger-Syndrom, einer Form von Autismus. Das hat für ihn unter anderem zur Folge, dass er ohne Betreuung seinen Alltag nicht meistern kann. "Es muss alles sehr gut durchstrukturiert sein", sagt seine Mutter: "Ungeplante Ereignisse bringen ihn durcheinander." Mit die größte Beschwernis ist die Fehlinterpretation von "nichtsprachlichen Signale". Kann man in der Regel lesen und verstehen, was der Gegenüber mit Blicken, Haltung und Gesten ausdrücken will, bereitet das dem jungen Puchheimer Probleme bis hin zu Angstgefühlen: Wenn ihn jemand ansehe, könne es sein, dass sich ihr Sohn bedroht fühle, erklärt Tine Feser.

Allerdings gibt es für Autisten oftmals einen Lichtblick: eine Hochbegabung auf einem Gebiet. Bei Loris Feser ist es das Klavierspiel: "Die Musik beruhigt ihn, gibt ihm die Möglichkeit, die eigenen Gefühle einzuordnen und sich von der ihn überfordernden Umwelt zurückzuziehen", erklärt seine Mutter. Die Einflüsse um ihn herum könne ihr Sohn in seiner Hypersensibilität nicht abwehren: "Er saugt alles auf wie ein Sieb." Sein besonderes musikalisches Talent hat auch Rieder erkannt und fördert es. Aus Mitteln seiner Gröbenzeller Jugendsozialstiftung wurde Klavierunterricht bezahlt: "Der Musiklehrer sagt, das Kind ist überdurchschnittlich begabt." Ihm sei das "absolute Gehör" bescheinigt worden, ergänzt die Mutter. Ein Ausdruck der Begabung fand sich auch schon in kleinen Konzerten, die der 13-Jährige in seiner Schule und im Altenheim gab.

Für Auftritte muss man allerdings zu Hause üben. Und das gestaltet sich für den Puchheimer zunehmend schwieriger. Nicht weil er keine Lust oder Zeit hätte, sondern weil sein Instrument langsam die Funktionstüchtigkeit aufgibt. Das elektronische Klavier ist inzwischen mehr als 15 Jahre alt und sieht nicht nur ein wenig ramponiert aus. Neben den ausgeleierten Tasten schaltet es sich auch immer wieder mal ab. Deshalb sucht die Gröbenzeller Stiftung nach einem günstigen gebrauchten Klavier oder E-Piano: "Manchmal steht bei älteren Menschen ein Klavier nur noch als Möbelstück im Zimmer. Und die Erben werfen es dann weg", sagt Rieder. Wer ein solches Instrument abgeben will, kann sich gerne an ihn wenden - unter der Telefonnummer 08142/7628.

Für den jungen Puchheimer wäre ein neues Klavier in jedem Fall ein seelischer wie musikalischer Glücksfall. Die Form der Entspannung, die Loris Feser dabei findet, skizziert die Mutter eindringlich. Er verliere in der Zeit an seinem Instrument das Gefühl, "immer auf der Hut sein zu müssen".

© SZ vom 16.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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