Puchheim:Andacht auf dem Kriegsgräberfriedhof

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321 russische Soldaten sind in Puchheim begraben. Ihnen gilt der alljährliche orthodoxe Gedenkgottesdienst an Allerheiligen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Russisch-orthodoxer Gedenkgottesdienst für die Soldaten, die im Ersten Weltkrieg in Puchheim interniert waren und dort starben

Von Karl-Wilhelm Götte, Puchheim

"Wir als Christen glauben an das Seelenleben nach dem Tod", sagt der Münchner Erzdiakon Georgi Kobro zu Beginn des russisch-orthodoxen Gottesdienstes auf den Kriegsgräberfriedhof, dem "Russenfriedhof", an der Puchheimer Lagerstraße. Kobro weiter: "Die Verstorbenen hören uns und ihre Seelen freuen sich." Schnell liegt Weihrauch in der Luft. 60 Besucher, vornehmlich deutsch-russischer Herkunft, feiern mit brennenden Kerzen in den Händen mit dem Erzdiakon und seinem Gefolge einen 40-minütigen Gottesdienst zu Ehren der im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten und der 321 in Puchheimer Gefangenschaft gestorbenen russischen Soldaten.

Kobro hielt den Gottesdienst auf Russisch ab, übersetzte jedoch auch kleinere Passagen ins Deutsche. Die toten russischen Kriegsgefangenen blieben in Puchheim zurück, weil der Sowjetunion damals das Geld für den Rücktransport in die Heimat fehlte. Insgesamt waren dort bei Kriegsende 1918 Gefangene aus England, Italien und vor allem 10 692 Franzosen und 14 072 Russen interniert. Der Abtransport aller Gefangenen in ihre Heimatländer dauerte zwei Jahre. Verstorbene englische, französische und italienische Soldaten wurden exhumiert und in ihren Heimatländern beigesetzt. Die Todesdaten auf den einheitlichen kleinen Grabstätten aus Terrakotta belegen, dass noch viele russische Gefangene der Spanischen Grippe im Winter 1918/19 in Deutschland erlegen sind. Der Friedhof an der Lagerstraße in Puchheim-Bahnhof entstand auf dem Gelände des Kriegsgefangenenlagers, das dort 1914 eingerichtet wurde. Seit 1910 diente das Areal als Flugfeld für die sogenannte Sport- und Kunstfliegerelite.

Besonders dem Olchinger Historiker Fritz Scherer ist es zu verdanken, dass der "Russenfriedhof" nicht in Vergessenheit geraten ist. Er schilderte in Abhandlungen, wie der bayerische Landesverband des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge zusammen mit der Gemeinde Puchheim den Friedhof 1964/1965 mit einigem finanziellen Aufwand wieder hergerichtet hatte. 20 Jahre später erfolgte noch einmal eine Restaurierung. Auf dem Denkmal in der Mitte steht in deutscher und russischer Sprache geschrieben: "Diese Kriegsgräberstätte birgt mehr als 300 russische Soldaten. Sie starben 1914 bis 1918 fern der Heimat in Gefangenschaft."

Am Denkmal lehnte auch ein frischer Kranz der Stadt Puchheim, die durch Stadtrat Wolfgang Wuschig vertreten war. Erzpriester Kobro dankte in seiner abschließenden Rede auf Deutsch der Stadt und der Kriegsgräberfürsorge für die "vorbildliche Erhaltung des Friedhofes". Die Soldaten hätten "ihr Leben für den Glauben, das Vaterland und des Zaren gelassen". Kriege sah Kobro generell sehr kritisch: "Die jungen Männer mussten sinnlos ihr Leben lassen." Sie hätten gute Familienväter sein können. "Ich sehe eine verdächtige Parallele", formulierte der Erzpriester dann, "beim Einsatz deutscher junger Männer in Afghanistan, Somalia und Mali für fremde Interessen".

© SZ vom 02.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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