Protestzug in den Gemeinderat:Alt und Jung stehen zusammen

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Am Ziel der Demo angekommen, überbringen die Teilnehmer ihre Forderungen dem Gröbenzeller Gemeinderat. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Mehr als 350 Gröbenzeller demonstrieren für das Kultlokal "Hexe"

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Hätte die Anzahl der Demonstranten eine Aussagekraft in Bezug auf den Ausgang des jeweiligen Themas, wäre die Behauptung nicht allzu kühn, dass die "Hexe", einst Bahnhofswirtschaft jetzt vom Abriss bedrohtes Kultlokal, doch noch erhalten bleibt. Denn zu dem vom Interessenverein Gröbenzell (IVG) organisierten Protest am Donnerstag vor dem Rathaus kamen nach Schätzung der Polizei rund 350 Personen. Bis zur Gemeinderatssitzung um 19.30 Uhr strömten so viele Menschen im Alter zwischen vier und 74 Jahren ins Gewerbegebiet, um für die "Hexe" zu kämpfen. Laut Jugendreferent Anton Kammerl waren es rund doppelt so viele wie bei einer ähnlichen Demonstration vor 20 Jahren.

"Die Botschaft, die wir vermitteln wollen, ist, dass die Hexe nicht nur etwas für 16- bis 24-Jährige ist", ruft Marina Kinzel in ihr Megafon. Die Vorsitzende des IVG bedankt sich bei der beständig wachsenden Menschenmenge, die eine beachtliche Altersstruktur aufweist. Sie erklärt, die Gemeinde versuche aktuell, die "Hexe" durch einen Grundstückstausch von ihren Eigentümern, der Wohnform Wohnbau GmbH in Germering, zu bekommen. "Es müssen noch Ideen her, wie man dieses Haus nutzt", sagt sie und bittet sie um Vorschläge. Als sie erklärt, dass der IVG nun zugunsten des Erhalts der "Hexe" ein Crowdfundig, das Einwerben von Spenden, gestartet habe, ertönen beifällige Pfiffe und Trillerpfeifen.

Als Werner Urban, älteres Mitglied in der IVG und Leiter des Torfmuseums, bekennt "Ich war noch nie in der Hexe", wird kurz gemurrt. Doch als er betont, dass sich sein Verein stets für den Erhalt alter Häuser einsetze, hat er die Sympathien gewonnen, trillert und pfeift die Menge Beifall. "Mit dem Verlust dieser Gebäude verliert Gröbenzell auch seinen Charakter", warnt Urban. Die Menge trillert und pfeift. Und Urban hebt die Bedeutung der früheren Bahnhofswirtschaft hervor: "Da haben ja schon Generationen Fasching gefeiert", wahrscheinlich sogar wesentlich wilder als heute, vermutet er.

"Shame on us", sagt selbstkritisch Anton Kammerl. Damit meint er, "dass wir, die Mehrheit im Gemeinderat, es versäumt haben, dieses Gebäude für die Gemeinde zu sichern". Kammerl, dessen Schwester Lilli mit Karin Klöppl das Kultlokal in den Neunzigern mit ähnlichen Protesten schon einmal gerettet hatte, macht den Demonstranten mit einer Parallele zu den Asterix-Comics Mut: "Heute sind wir die Gallier."

"Ein Ort, der seinesgleichen sucht", nennt Maximilan Rötzer kurz darauf im bis auf den letzten Stehplatz gefüllten Sitzungssaal die "Hexe". Er hatte vor drei Monaten eine Online-Petition gestartet; inzwischen haben dort fast 3100 Menschen unterschrieben. Auf Papier waren es in den letzten 16 Tagen 322. Kinzel übergibt die Listen dem Gemeinderat und kündigt weitere an. Denn die soeben vor dem Rathaus gesammelten Unterschriften - und das waren noch einmal sehr viele - müssten erst wieder eingesammelt werden. Sie und Rötzer hatten die Anwesenden darüber informiert, dass nur Unterschriften auf Papier den Gemeinderat wirklich beeindrucken würden. Es begann ein reges Unterschreiben.

Zum Stand der Verhandlungen sagt Zweiter Bürgermeister Martin Runge. "Die Bewertungsgutachten sind fertig" und damit die Grundlage für Gespräche. Die Gemeinde will Grundstücke in der Bahnhofstraße tauschen, wegen der Hochwasserproblematik gibt es laut Runge "unheimlich viele Unwägbarkeiten". Da der Gemeinderat mehrheitlich, aber nicht komplett für die "Hexen"-Rettung ist, könnten Unterschriften, Ideen und Geld sicher helfen, die Minderheit umzustimmen.

© SZ vom 10.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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