Premiere:Die Idee der Selbstaufgabe

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Bettgeflüster: Die Folgen einer Nacht lernen Rilana Nitsch und Alexander Schmiedel in dem Stück "Die Geschichte mit den Pandabären" kennen. (Foto: Günther Reger)

Der Neuen Bühne Bruck gelingt ein surreales Theatervergnügen

Von Emil Kafitz, Fürstenfeldbruck

Als Harald Molocher, Vorstand der Neuen Bühne Bruck, kurz nach dem Verklingen des Applauses berichtet, wie es zur Inszenierung von "Die Geschichte mit den Pandabären" kam, glänzen seine Augen vor Leidenschaft: "Der Regisseur Olaf Dröge kommt ursprünglich aus Berlin und ist erst vor Kurzem nach Grafrath gezogen. Als ich die Ehre hatte, ihn persönlich kennenzulernen, haben mich seine Visionen und Ideen sofort überzeugt. Ähnlich begeistert war ich dann auch von dem Stück, das er vorschlug und dessen Premiere wir heute feiern."

"Die Geschichte von den Pandabären" von Matéi Visniec ist ein Zwei-Personen-Stück, eine Liebesgeschichte, die sich zum größten Teil im Schlafzimmer Michel Pailholes, insbesondere in dessen Palettenbett abspielt. Eines Morgens erwacht er darin, sichtlich verkatert, neben einer ihm unbekannten Frau. Michel hat keinerlei Erinnerung an die zurückliegende Nacht. In einem ungewollt komischen Gespräch mit seiner Bettgenossin versucht er die Ereignisse zu rekonstruieren, erhält dabei aber statt Antworten nur noch mehr Fragen. Sie verrät ihm nicht einmal ihren Namen. Als sie ihn kurz darauf verlassen möchte, kann und will er das nicht zulassen. Stattdessen trifft er mit der mysteriösen verschmitzt lächelnden Dame eine Vereinbarung. Sie wird die nächsten neun Nächte mit ihm verbringen, wenn er ihr im Gegenzug auf seinem Saxofon vorspielt.

Der weitere Verlauf des Stücks porträtiert episodenhaft das Zusammentreffen von Mann und Frau, nur unterbrochen von Saxofonsoli, die eigens von Agnes Reiter für das Stück komponiert wurden, und von Nachrichten auf Michels Anrufbeantworter, den er schon lange nicht mehr abhört. Die Anrufe informieren ihn über die Pflichten eines Lebens, das ihn nicht mehr zu interessieren scheint. Stattdessen verliert er sich zunehmend in der Liebesbeziehung. Beide Partner kommen sich näher, sowohl körperlich als auch geistig. In einer Szene verständigen sie sich komplett ohne Worte, zunächst nur mit einem Laut, dann sogar nur noch mit Gedanken. In einer anderen berichtet Michel von seiner Kindheit. Hierbei übertragen sich die Emotionen, die er empfindet, auf das Publikum, das seinen Ausführungen ebenso gebannt lauscht wie seine Geliebte. Im Laufe des Stücks werden die Szenen immer surrealer. Sie bringt ihm ein unsichtbares Tier mit, das von seinen Gedanken befruchtet wird. Er wiederum berichtet bis ins letzte Detail, was in der Wohnung über und unter ihm geschieht, nur anhand der Geräusche, die er vernimmt. Beide lassen sich auf die Gedankenspiele des anderen ein und nehmen diese ernst. Als sie ausschließlich über eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter mit ihm kommuniziert, hat das Stück endgültig den Bezug zur Realität verloren. Doch genau das macht die Atmosphäre aus. Am Ende steht nur noch eine Idee im Raum, die Idee der völligen Selbstaufgabe, die Idee, komplett im jeweils anderen aufzugehen. "Wir sind das Schlagen von zwei weißen Flügeln im Flug. Wir sind die Flügel von ein und demselben Tier."

"Die Geschichte von den Pandabären" ist ein eigenwilliges Stück. Als Zuschauer muss man in der Lage sein, sich auf alles einzulassen, was auf der Bühne passiert. Erst wenn man den Surrealismus akzeptiert, beginnt man, die richtigen Fragen zu stellen und das Stück zu fühlen. Rilana Nitsch verkörpert glaubwürdig die dominante und humorvolle Unbekannte, die den fragilen Michel, gespielt von Alexander Schmiedel, von sich selbst und der Liebe überzeugt. Die beiden erschaffen mit angedeuteter Erotik und feinfühligen Dialogen eine Intimität, die den Zuschauer mit einschließt. Diesem wird es möglich, den Protagonisten auf ihrem Weg zu folgen und Einblick in ein Gefühl zu erhalten, das tiefer geht als der alltägliche Liebesbegriff.

Die Neue Bühne Bruck hat sich mit "Der Geschichte von den Pandabären" ein Stück weit neu erfunden. Ein Besuch dieser ersten Inszenierung Olaf Dröges in Fürstenfeldbruck ist also durchaus lohnenswert und die nächsten Monate möglich. "Und die erste wird sicher nicht die letzte sein", verspricht Harald Molocher.

© SZ vom 30.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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