Porträt:Der Ausdauernde

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Seit 1974 saß Thomas Goppel im Landtag, seit 1978 für den Stimmkreis Landsberg/Fürstenfeldbruck-West. Nun hat er wegen des schlechten Wahlergebnisses der CSU die Wiederwahl über die Liste verpasst. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Thomas Goppel saß 44 Jahre im Landtag. Er stand an der Spitze von drei Ministerien, war Generalsekretär der CSU und strebte vergeblich nach dem Amt des Ministerpräsidenten. Nun räumte er sein Büro

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Es war keine Wunschehe, als Thomas Goppel 1978 um den Stimmkreis Landsberg/Fürstenfeldbruck West buhlte und erstmals als dessen direkt gewählter Abgeordneter in den Landtag einzog. Die Braut, also die örtliche CSU, zierte sich. Es wehte ein kräftiger Gegenwind. Die Platzhirsche wollten keinen Überflieger mit prominentem Namen, der ihr Terrain kaperte und dessen Vater Alfons Goppel noch Ministerpräsident war. Sie nahmen dem 27-jährigen, blutjungen Münchner, der bereits vier Jahre im Landtag saß, nicht ab, an ihrer Region und deren Menschen interessiert zu sein. Stattdessen unterstellte man ihm, ein Sprungbrett für seine Karriere zu suchen.

Was ja nicht falsch war. Gehörte doch ihr "Thomas", wie seine Anhänger Goppel im Stimmkreis später anredeten, zuerst noch unter Strauß als Staatssekretär, dann als Europa- und Bundes-, später als Umwelt- und zuletzt als Wissenschafts- und Kunstminister von 1986 bis 1998 und von 2003 bis 2008 mehreren bayerischen Regierungen an. Zwischendurch gab er als Stoibers Generalsekretär den angriffslustigen Wadlbeißer.

Goppels Fleiß und Ehrgeiz wurden belohnt. Doch ein Amt blieb ihm verwehrt - das des Ministerpräsidenten, also des Landesvaters, der sein Vorbild und Vater ja lange war. Als er sich 2008 traute, Seehofer das Amt des Regierungschefs streitig zu machen, war Goppel, kurz nachdem er seine Bewerbung zurückgezogen hatte, kaltgestellt und seinen Ministerposten für immer los.

Dafür blieb sein Stimmkreis seine Konstante. So, als sei er nur angetreten, um Tag für Tag seine anfänglichen Kritiker eines Besseren zu belehren; und das selbst dann noch, als er 2013 das Direktmandat dem Fernsehjournalisten Alex Dorow überlassen hatte. 1978 hatte niemand ahnen können, dass der Grundschullehrer sein Versprechen einhalten und seinen Wählern nicht nur drei Legislaturperioden treu bleiben würde, sondern vier Jahrzehnte. Er kam der Pflicht nach, sein politisches Feld wie ein von seiner Sendung Besessener täglich bis zu 18 Stunden zu beackern und sich pro Jahr um bis zu 2000 Bürgeranliegen zu kümmern. Sein Sendungsbewusstsein führt er auf sein christliches Menschenbild zurück.

Egal welches Amt Goppel innehatte, die Basis vernachlässigte er nie. Eines war ja immer möglich, spätabends auf der Heimfahrt von München nach Eresing noch bei einer Versammlung oder einem Verein vorbeizuschauen. Unter Verzicht auf Schlaf und vieles, was anderen im Leben wichtig ist. Beispielsweise auf Urlaub. Oft ohne Rücksicht auf das eigene Wohlergehen und die Gesundheit. Eben leidenschaftlich und leidensfähig.

So beteuert der Eresinger, in den 44 Jahren als Abgeordneter nur zweimal länger Urlaub gemacht zu haben. Das erste Mal nach der Hochzeit. Dass Goppel in Eresing ein Haus baute, war nicht sein Lebenstraum, sondern Teil eines Deals. Die Skeptiker wollten sicher gehen, dass er mitten unter seinen Wählern lebte, und zwar genau an der Schnittstelle der Landkreise, die den Stimmkreis bilden.

Am Dienstag räumte Goppel im Maximilianeum sein Büro. Die Hoffnung, sich ein drittes Mal das Mandat mit seinem klangvollen Namen über die Liste zu sichern, platzte am Wahlabend. Kein einziger CSUler schaffte es heuer über die Liste in den Landtag. Für den 71-Jährigen ist das kein Grund zur Trauer.

Er zieht es vor, dankbar zurückzublicken auf Jahre, die wegen der Begegnungen mit vielen Menschen reich gewesen seien, wie er im Landtagsrestaurant bei einer seiner Lieblingsspeisen versichert. Das ist ein "Goppel-Kuss", eine Kugel Schokoladeneis mit ungezuckertem Joghurt, der es dort sogar auf die Speisekarte schaffte, wie der Namensgeber mit einem Goppel-Lächeln versichert. Das sei vorher noch keinem Abgeordneten gelungen, witzelt er. Eine süßsauere Speise, eben wie ein Politikerleben.

Auch wenn ihm nun mehr Zeit mit Ehefrau Claudia bleibt, wird er kein Hausmann. Er kann sich als Musikliebhaber seine 1800 CDs weiter auf Fahrten im Auto anhören, wenn er als Präsident des Musikrats oder als Vorsitzender des Landesdenkmalrats in Bayern unterwegs ist. Sein ehrenamtliches Engagement in Organisationen und Gremien bleibt umfangreich. So ist er Mitbegründer des Zusammenschlusses Christsozialer Katholiken (CSK) und Vorsitzender der Senioren Union.

Goppel entwickelte eine eigene Art, sich ausdrücken und in seine Sätze Witze einzustreuen, was auch schon mal missverstanden wird. Darauf angesprochen, was ihm seine Macht als Politiker bedeutet, sagt er, sie habe es ihm erleichtert, den Menschen zu dienen. "Wenn man dienen will und das nicht kann, braucht man Einfluss auf die anderen", sagt er. Den verschaffte ihm die Macht. So zu argumentieren, ist typisch für ihn. Die Krise der CSU führt er unter anderem auf das Versäumnis zurück, auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren und das veränderte Lebensgefühl der Jüngeren anzusprechen.

Im Brucker Landkreis spreizte sich der Eresinger in vieles ein, was Politiker und Bürger in den vergangenen 40 Jahren bewegte. Vieles, was in der Tagespolitik Wellen schlug, ist vergessen. Was ihm bleibt, und worauf er stolz ist, ist sein Mitwirken als Kunstminister am Ausbau der Klosteranlage in Fürstenfeld zum identitätsstiftenden kulturellen Mittelpunkt des Landkreises. So schaffte er es, über eine Liechtensteiner Stiftung 1,2 Millionen Euro für die Instandsetzung des Churfüstensaales beizusteuern - zu den von den Bürgern aufzubringenden Kosten. Solche Erfolge bleiben, weil das Geschaffene selbst das längste Abgeordnetenleben zu überdauern vermag.

© SZ vom 20.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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