Politischer Disput im Vortrag:Referent gegen Volkshochschule

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Jürgen Schulz, 77, lebt in Fürstenfeldbruck. Er war viele Jahre lang Vorsitzender des Trägervereins "Eine Welt Zentrum FFB". Schulz engagiert sich in Guatemala-Gruppen, dem Arbeitskreis Mahnmal sowie für die Flüchtlingshilfe. (Foto: Günther Reger)

Nach negativer Einschätzung des Instituts für NS-Forschung setzt die VHS einen Palästina-Vortrag von Jürgen Schulz ab. Der Ex-Sprecher des Eine-Welt-Zentrums sieht sich in der Meinungsfreiheit beschnitten. Mehrere Stadträte widersprechen ihm

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Brucker Volkshochschule sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, sie beschneide die Meinungsfreiheit. Hintergrund ist die Absage eines historischen Vortrags zum Themenbereich Israel/Palästina, die auch unter den Fürstenfeldbrucker Stadträten hohe Wellen schlägt. Mehrheitlich sind diese freilich der Meinung, dass der Volkshochschule keine Versäumnisse anzulasten sind.

Laut Programmheft soll Jürgen Schulz am Abend des 29. November im Kurs Nummer 1016 eineinhalb Stunden zum Thema "Vom Ammersee nach Palästina - Hoffnung auf eine neue Heimat in Eretz-Israel" referieren. Dabei sollte laut Vorankündigung der Bogen gespannt werden von den Verbrechen des NS-Regimes und der Gründung des Staats Israel über die Auswanderung nach Palästina bis hin zum bewaffneten Widerstand arabischer Staaten gegen den von den Vereinten Nationen vorgelegten Teilungsplan. Den Vortrag mit lokalen Bezügen hatte Schulz bereits im September bei den Brucker Zeitgesprächen gehalten - die Resonanz darauf sei sehr positiv gewesen, sagt er. Die Veranstaltung wurde dann aber Ende September von der Volkshochschule abgesagt - offenbar als Reaktion auf eine Einschätzung des Nürnberger Instituts für NS-Forschung und jüdische Geschichte des 20. Jahrhundert. Schulz hatte sich zuvor an das Institut gewandt, um Fotos und Studien nutzen zu dürfen. Dies war ihm letztlich verweigert worden. Nicht zuletzt deshalb, weil er vor einigen Jahren israelkritische BDS-Aufrufe unterzeichnet haben soll. Schulz bestreitet, Sympathien zu hegen für die transnationale politische Kampagne "Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen", kurz BDS. Diese will Israel isolieren, um die Räumung der besetzten Gebiete zu erzwingen und palästinensischen Flüchtlingen die Rückkehr in ihre frühere Heimat zu ermöglichen. Weil es BDS-Vertreter gibt, die Israel das Existenzrecht absprechen und die deshalb als antisemitisch eingestuft werden, ist die Bewegung höchst umstritten.

VHS-Geschäftsführerin Silvia Reinschmiedt wollte sich am Montag auf Nachfrage der SZ nicht äußern, auch vom Institut in Nürnberg gab es keine Stellungnahme. Nach SZ-Informationen spricht man Schulz dort die Qualifikation für einen historisch fundierten Vortrag ab. Für großen Wirbel sorgte Schulz, als er sich jüngst schriftlich bei den Fürstenfeldbrucker Stadträten über das "Redeverbot" beschwerte und das in Artikel fünf des Grundgesetzes verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung für sich reklamierte. Die Zurückhaltung vieler Stadträte, die nicht an der Entscheidungshoheit der Volkshochschule rütteln wollten, geißelte er mit den Worten "Bürgernähe sieht anders aus". Schulz spricht von "erfundenen Argumenten aus Nürnberg" und sieht sich konfrontiert mit "einer Allianz von Freunden der aktuellen israelischen Politik". Seiner Darstellung zufolge wurde der Vortrag abgesagt, ohne das zu begründen. Er vermutet, dass das Institut Stimmung gegen ihn gemacht hat und ihm fälschlicherweise eine Kampagne unterstellt werde.

Claudia Calabrò, die zuständige Referentin für Erwachsenenbildung, bestreitet das und beruft sich dabei auf Reinschmiedt. Auch der Oberbürgermeister habe sich bereits mit Schulz in Verbindung gesetzt. Calabrò mahnt Schulz, nicht mehr gegen die VHS "zu pöbeln": "Ich würde vorschlagen, du lässt die Sache nun endlich ruhen." Ähnlich äußert sich Zweiter Bürgermeister Christian Götz (BBV): "Sich in diesem Fall auf freie Meinungsäußerung zu berufen, ist natürlich völlig fehl am Platz." Bereits Anfang Oktober habe Reinschmiedt gemeinsam mit Stadtarchivar Gerhard Neumeier bei ihm in der Sache vorgesprochen. Auch er will die Absage nicht kritisieren. Es sei nicht um die Einstellung zur aktuellen israelischen Staatsführung gegangen, sondern um die "fachliche Qualität und Ausgewogenheit des Vortrags." Noch deutlicher wird Andreas Lohde (CSU), der mit Blick auf die "befremdliche" E-Mail bezweifelt, dass Schulz zur "korrekten Wiedergabe sorgfältig recherchierter Fakten" in der Lage sei. Lohde vermutet, dass es bei der Sache vor allem um "verletzte Eitelkeiten" geht.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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