Politischer Aschermittwoch in Puchheim:Wo der Feind steht

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Die AfD sei der "politische Arm des rechten Terrors", sagt Saskia Esken beim politischen Aschermittwoch. Der Auftritt der neuen SPD-Parteivorsitzenden stößt auf großes Interesse

Von Heike A. Batzer, Puchheim

Den roten Blazer von Vilshofen hat sie am Abend abgelegt und gegen einen cremefarbenen getauscht. Ansonsten wiederholt Saskia Esken am Mittwochabend im Puchheimer Kulturcentrum (Puc) vieles von dem, was sie am Morgen beim politischen Aschermittwoch in Niederbayern gesagt hat: Wohin will die SPD? Wer ist der politische Feind? Hält die Groko? Esken, seit 2013 Bundestagsabgeordnete und seit noch nicht einmal drei Monaten zusammen mit Norbert Walter-Borjans Bundesvorsitzende der SPD, erhält viel Applaus von den Genossen aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck. Der Stolz, eine Parteivorsitzende nach Puchheim geholt zu haben, ist spürbar beim Kreisvorsitzenden Michael Schrodi, der mit Esken im Bundestag sitzt. Der Saal ist voll, das Puc in überwiegend SPD-rotes Licht getaucht.

Immerhin bemerkenswert ist, wie die Sozialdemokraten, die unlängst noch ein Bild der Ziellosigkeit abgegeben haben, nun ihrerseits einen erstaunt-herablassenden Blick auf die Zustände in der CDU werfen. Und während man noch vor Wochen in der SPD jenen Partner der großen Koalition in Berlin sah, der möglicherweise vorzeitig aussteigen könnte, so hat es nun den Anschein, als sei die Union der Wackelkandidat. Dabei habe die SPD "ein Interesse an einer stabilen CDU", betont Esken, denn sie sei "ein wichtiger Akteur in der politischen Landschaft". Wenn die CDU wieder klar fahre, dann könne die Koalition weitergeführt werden, sagt Esken, die eigentlich als Groko-Kritikerin zur Wahl um den Parteivorsitz angetreten war. Aber sie zweifelt: "Ich bin mir da nicht so sicher." Die CDU habe ein Führungs- und Orientierungsproblem, und "das beunruhigt uns". Man habe die Koalition mit Angela Merkel geschlossen, "andere Kandidaten kommen für uns nicht infrage".

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(Foto: Voxbrunner Carmen)

Impressionen vom Aschermittwoch von SPD und CSU: Saskia Esken,...

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(Foto: Voxbrunner Carmen)

...Katrin Staffler,...

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(Foto: Voxbrunner Carmen)

...Alexander Dobrindt mit Michael Wölfl,...

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(Foto: Voxbrunner Carmen)

...das SPD-Trio Schrodi, Seidl, Maier...

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...und der volle Saal im Puc.

Die CDU aber sei "nicht der Feind", betont Esken nachdrücklich: "Der Feind ist die AfD." Die Ministerpräsidentenwahl von Thüringen sei "kein Unfall gewesen, sondern ein abgekartetes Spiel". Niemand in CDU und FDP habe genug getan, "um das abzuwenden". Wie sich Hass und Hetze im Land Bahn brächen, sei beängstigend, sagt Esken. Rassistische Hetze werde geschürt durch Worte, rechter Terror sei "traurige Realität". Die AfD sei der "politische Arm des rechten Terrors" und "mit keiner Faser eine bürgerliche Partei. Diese Leute sind Täter." Die Besucher klatschen. Die Partei müsse vom Verfassungsschutz beobachtet werden, fordert Esken: "Sie bedroht unsere Demokratie." Eine Regierungsbildung und politische Mehrheiten mit Stimmen der AfD schließe die SPD aus.

Es hätte gar keines politischen Aschermittwochs bedurft in diesem Jahr, denn die politische Prominenz findet sich ohnehin zahlreich an der Basis ein. Es ist Kommunalwahlkampf in Bayern. Auch Christoph Maier, der Landratskandidat der Sozialdemokraten, bringt sich in Erinnerung und brandmarkt nach den Taten von Hanau die "Zündler der CSU", die sich nun "hinstellen, als hätten sie nichts damit zu tun". Diese Atmosphäre sei von ihnen mitverursacht, behauptet Maier. Und dann versteigt er sich noch zu einem heftigen Vorwurf: "Einer von diesen rechten Zündlern sitzt noch im Landratsamt." Er meint den amtierenden Landrat Thomas Karmasin von der CSU, den er gerne ablösen möchte. Sehr viel konkreter wird Maier nicht, nennt noch Karmasins "restriktive Politik beim Erteilen von Arbeitserlaubnissen für Asylbewerber". Deshalb gehört seiner Meinung nach "nicht ein rechter Populist, sondern ein christlich-humanistischer Sozialdemokrat" ins Landratsamt. Maier eben, findet Maier.

(Foto: oh)

Saskia Esken bescheinigt dem "lieben Christoph" - die Genossen duzen sich den ganzen Abend - "eine beeindruckende Rede" und geht in ihrer eigenen auch auf das ein, was sozialdemokratische Politik ausmache. "Wir betonen das Gemeinsame", sagt Esken, "und wollen den Menschen Zuversicht geben". Sie nennt den "starken, handlungsfähigen Staat". Es geht um einen Mindestlohn von zwölf Euro, denn so schlechte Löhne zu bezahlen, dass man bei Vollzeitarbeit "noch aufs Amt muss", sei der eigentliche "Missbrauch des Sozialstaats". Es geht um die Grundrente und um eine "demokratische Digitalisierung", die dafür Sorge tragen müsse, dass das Individuum und die Gesellschaft souverän bleiben könnten. Esken plädiert für ein "massives Investitionsprogramm", damit die Kommunen ihre Aufgaben überall gleich gut erfüllen könnten: "Vom Dogma der schwarzen Null müssen wir uns verabschieden." Das wird SPD-Finanzminister Olaf Scholz nicht gerne hören, der bekanntlich im Kampf um den SPD-Vorsitz dem Duo Saskia Esken/Norbert Walter-Borjans (den Esken nur "Nowabo" nennt) unterlegen war. Nach dem Verhältnis zu Scholz fragt sie dann Puchheims Bürgermeister Norbert Seidl, als er mit Maier und Esken in den roten Lounge-Sesseln zum Gespräch Platz genommen hat, und Esken spricht davon, dass man "in gutem Konsens zusammenarbeite". Und Kevin Kühnert? Der junge Vize-Vorsitzende, der ja unbedingt aus der Groko raus wollte? Sie komme sehr gut mit ihm aus, sagt Esken, man habe eine ähnliche Sicht auf die Welt und in Verteilungsfragen. Und junge Menschen hätten eben eine andere Art, Themen anzusprechen. "Ich bin froh, dass ich ihn an meiner Seite habe". Applaus.

Die Besucher dürfen auch noch Fragen stellen. Nebenbei widmen sie sich den Fischgerichten auf ihren Tellern. Matjes, Lachsravioli oder Forelle bietet das Hausrestaurant an diesem Abend, das seit der Neugestaltung von Thomas Breitenfellner geführt wird. Der war lange Zeit ein aufstrebender CSU-Politiker im Landkreis und ist jetzt Unternehmer - auch in der Gastronomie. Am Mittwoch bringt er den früheren politischen Gegnern persönlich den Fisch an den Tisch.

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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