Operette:Flügellahm

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Ensemblemitglieder des Wiener Thalia Theaters spielen Carl Zellers "Der Vogelhändler". (Foto: Carmen Voxbrunner)

Beim Gastspiel der Operette "Der Vogelhändler" mag beim Publikum in der Germeringer keine rechte Feierstimmung aufkommen

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Es gehört bereits zu einem bewährten Silvester-Ritual, dass schon am Nachmittag des 31. Dezember in der Germeringer Stadthalle Operettenzeit ist. In einer Doppelveranstaltung bespielt das Ensemble des Wiener Thalia-Theaters die Germeringer Bühne jedes Jahr wieder mit einer populären Operette, zumeist in Kooperation mit dem Opernhaus Usti an der Elbe in Tschechien. Von dort kommt auch das Orchester. "Der Vogelhändler" von Carl Zeller gehört zu einer guten Handvoll Operetten, die sich seit der Uraufführung am "Theater an der Wien" in der österreichischen Hauptstadt im Jahr 1891 ununterbrochen im Repertoire deutschsprachiger Bühnen befinden.

Die Lieder "Schenkt man sich Rosen in Tirol" und "Ich bin die Christel von der Post" kennen sicher auch Menschen, die noch nie eine Operette besucht haben und die das Stück nicht kennen. Der "Vogelhändler" Adam (Richard Klein) braucht eine feste Stelle, um endlich seine geliebte Briefträgerin Christel (Verena te Best) heiraten zu können, doch es bedarf drei Akte lang vieler Irrungen und Wirrungen, bevor er den Posten des kurfürstlichen Menagerie-Inspektors bei der Kurfürstin Marie (Heidi Manser) erobert und die Liebenden sich endlich eifersuchts- und hindernisfrei in die Arme schließen können. So eingängig und deshalb beliebt viele der Melodien sind: Das Libretto von Ludwig Held und Moritz West (eigentlich Moritz Georg Nitzelberger) könnte ein Update gut gebrauchen, denn der Text allein gibt nicht allzu viel her, und nur zündende Regieeinfälle, berauschende Bühnen-Optik und meisterliche Spiel- und Sangeskunst könnten der Walzer-Beschwingtheit zur herzwärmenden Entfaltung verhelfen.

Doch festliche Silvesterstimmung wollte sich an diesem Nachmittag nicht so recht einstellen. Lag es am fehlenden Wortwitz in den doch zahlreichen Dialogen? Oder lag es an der Inszenierung oder an der akustischen Unausgewogenheit zwischen Singstimmen und Orchester? An der Bereitschaft des Publikums im mit vorwiegend älteren Besuchern voll besetzten Orlandosaal lag es jedenfalls nicht. Es zeigte sich keineswegs jahresmüde und spendete Szenenapplaus, wo es nur konnte. Doch wie auf Sparflamme dümpelte die erste Vorstellung des Ensembles - besonders der erste 55-Minuten-Akt - dahin. Leider wurde auch eine wichtige Umbesetzung nicht vorab per Aushang kundgetan. Der Dirigent Jan Snitil des tschechischen Orchesters war kurzfristig für den erkrankten Milan Kanak eingesprungen. Leicht und schwungvoll eröffnete Snitil den Operettennachmittag, doch die Akteure auf der Bühne zogen von Anbeginn nicht mit. Und von Akt zu Akt schien das Bühnengeschehen zäher zu werden.

Lacher gab es während der Veranstaltung nur wenige; gar keine gab es auf Kalauer wie "Der Zahn der Zeit, der so manche Träne trocknet, wird auch über diesen Kummer Gras wachsen lassen". Auch über als dramaturgisch gewähltes Element grundlos stotternde, übertrieben mit einem Fatsuit aufgeblähte Bürgermeister, allzu trottelige Bauerntölpel und den kokett hingenommenen Klaps auf einen Frauenpo mag sich heutzutage kaum mehr jemand amüsieren. Da das Publikum aber doch eigentlich zu diesem Zweck gekommen war, griff es bescheiden und dankbar jeden Anlass auf, um Spaß zu haben. So auch bei einer kleinen Anspielung auf Germering im pfalzkurfürstlichen Ambiente und Sätzen wie: "Freilich könne die Baronin etwas jünger sein, doch je länger du wartest, desto älter wird sie."

Das Bühnenbild präsentierte sich reisetauglich mit großen, etwas kargen Versatzstücken, die Kostüme waren nett gestaltet und die insgesamt 21 Darstellenden mitunter zickig-zackig übertrieben, öfter aber - besonders der Chor - körperlich recht spannungslos. Nicht selten gingen die Singstimmen der Hauptakteure in der Musik unter. Dies ließe sich vielleicht mit optimal eingestellter Tontechnik, die diesmal hinter der Bühne stattfand, vermeiden.

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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