Online-Veranstaltung in Fürstenfeldbruck:"Jeder kann Aufklärung leisten"

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Ingrid Brodnig ist eine österreichische Journalistin und Publizistin. 2015 bis 2017 war sie Redakteurin beim österreichischen Nachrichtenmagazins Profil. Die 36-Jährige ist digitale Botschafterin Österreichs in der EU. (Foto: Brucker Forum)

Ingrid Brodnig über ihren Vortrag "Hass im Netz" an kommenden Montag

Interview von Franziska Schmitt, Fürstenfeldbruck

Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen gehen im Internet viral. Inmitten der Pandemie sind die Diskussionen im Netz aufgeheizt. Es kommt zu Beleidigungen und Rassismen aller Art. So ist das Buch "Hass im Netz", welches Ingrid Brodnig im Zuge der Flüchtlingsdebatten schrieb, auch fünf Jahre später erschreckend aktuell. Das Brucker Forum präsentiert die Autorin an diesem Montag in einer Online-Lesung.

SZ: Frau Brodnig, Sie sind Autorin und Journalistin. Sind Sie durch Ihren Beruf selbst mit Hasskommentaren konfrontiert worden?

Ingrid Brodnig: Jeder, der bei kontroversen Themen in der Öffentlichkeit steht, oder gerade auch Frauen, die sich durchaus selbstbewusst zu Wort melden, müssen mit Beleidigungen rechnen. Gerade Frauen müssen auch mit Sexismen rechnen. Wenn ich in größeren deutschen Medien Interviews gebe, dann kriege ich beleidigende, oftmals sexistische Rückmeldungen. Oder auch wenn ich mich zu stark emotionalisierten Debatten durchaus sachlich äußere, wie zu dem Terroranschlag hier in Wien. Ein Reichsbürger schrieb mir daraufhin widerwärtige, sexistische Herabwürdigungen wie "Die Dummweiber haben die Fresse zu halten" und noch schlimmere Fantasien. Wenn man den Hass im Netz thematisiert, dann kriegt man ihn auch ab, weil es manchen nicht gefällt, wenn man das offenlegt.

Wie gehen Sie selbst mit sexistischen oder auch menschenfeindlichen Kommentaren im Netz um?

Manchmal ist man Betroffene, manchmal aber auch nur Beobachterin. Ich habe mit vielen Betroffenen gesprochen. Es hat ihnen den Rücken gestärkt, wenn andere einfach zu Ausdruck bringen, dass sie das nicht okay finden. Selbst wenn man eine selbstsichere Person ist, nagt es doch an einem, so etwas zu erleben. Meine Verteidigungsvariante ist oft, dass ich die Kommentare offenlege, auf Twitter poste oder in einem Interview davon erzähle. Man erfährt dann Solidarität von anderen. Ich glaube aber auch, dass man sich in extremen Fällen juristisch wehren sollte. Das funktioniert zwar nicht immer, aber dass eine gewisse rote Linie in der Gesellschaft eingezogen wird, das ist eben wichtig. Am Ende können wir alle etwas machen, um uns gegen Hass im Netz auszusprechen.

Besteht nicht auch die Gefahr Diskussionen weiter anzufeuern?

Die Frage ist immer: Was ist mein Ziel beim Diskutieren? Ein Ziel kann sein, dass ich dem anderen den Rücken stärke. Ein anderes Ziel kann auch sein, dass ich nicht auf jede Provokation eingehe. Ich gebe einer bösen Äußerung nicht den Raum den sie gerne hätte. Ein taktisches Schweigen also. Manchmal versucht man eine Person, die so etwas Herabwürdigendes schreibt, davon zu überzeugen, dass das falsch war.

Mit Erfolg?

Das funktioniert in der Regel nicht. Man läuft in die Gefahr, dass man provokante Accounts, die eigentlich nur aufregen wollen, sichtbarer macht, indem man groß auf sie reagiert oder auf der Seite selbst mitdiskutiert. Das kann ein Zeichen beispielsweise für Facebooks Algorithmen sein, dass etwas viel Debatte auslöst. Und dann könnten noch viel mehr Menschen eingeblendet werden. Statt direkt unter solchen Posts zu diskutieren, kann ich Screenshots von solchen Aussagen machen, diese posten und kommentieren: 'Ich finde es eine problematische Aussage, weil . . ." Oder: "Das besteht nicht den Faktencheck, hier findet man die Infos . . ." Ich denke, jeder von uns kann auch Aufklärung leisten.

Der Online-Vortrag "Hass im Netz" von Ingrid Brodnig beginnt am Montag, 30. November, um 19.30. Im Anschluss ist Zeit für Diskussion und Fragen. Anmeldungen sind bis Sonntag, 29. November, im Internet unter www.brucker-forum.de möglich. Der Link zur Teilnahme über die Plattform Zoom wird per Mail zugestellt.

© SZ vom 28.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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