Olching:Wiener Schmäh

Lesezeit: 2 min

Begeisternde Eleven-Eleven-Matinee zum Geiger Fritz Kreisler im Kom

Von KLAUS MOHR, Olching

Was wären Männer ohne ihre Frauen! Im Speziellen gilt das für Fritz Kreisler, den vielleicht bedeutendsten Geiger in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erlag der Musiker vor der Eheschließung allen nur denkbaren Versuchungen mit Liebeleien, Spielcasinos oder Alkohol ganz leicht, so brachte seine amerikanische Ehefrau Harriet Lies Ordnung in sein Leben. Das funktionierte sechzig Jahre lang so gut, dass er nicht ohne sie, und sie nicht ohne ihn sein konnte. Für alle Musikfreunde bedeutete dies, dass Harriet nicht nur dafür sorgte, dass ihr Mann regelmäßig übte, sondern dass sie auch seine Honorare aushandelte und über die Zugabenstücke entschied. Der Nachwelt hinterließ der 1962 im Alter von 87 Jahren verstorbene Künstler wunderbare Miniaturen bezaubernder Stücke, die seinen Namen für jeden Geiger bis heute unsterblich machen. Dabei war Fritz Kreisler eigentlich ein ausgemachter Schwindler: Er veröffentlichte Stücke und gab vor, dass diese von barocken Meistern stammten und von ihm entdeckt wurden. In Wirklichkeit aber handelte es sich um von ihm selbst komponierte Werke, die er dann zu Weltruhm führte. Dreißig Jahre blieb diese Lüge unentdeckt, und als er sie zugab, wurde das insbesondere in Amerika positiv aufgenommen, weil niemand geschädigt worden war.

Dem spannenden Leben des großen Geigers Fritz Kreisler war die erste Eleven-Eleven-Matinee des Jahres 2016 in der Kulturwerkstatt am Olchinger Mühlbach am Sonntag gewidmet. Dabei waren alle Plätze besetzt, was bewies, dass das Publikum auch an einer literarisch-musikalischen Matinee viel Interesse hat. Zu Gast waren drei Österreicherinnen, nämlich Johanna Lonsky (Konzept und Text), Cornelia Löscher (Violine) und Andrea Linsbauer (Klavier). Der Tatsache, dass auch Fritz Kreisler Österreicher im Allgemeinem und Wiener im Speziellen war, kam im Hinblick auf die Musik an diesem Vormittag große Bedeutung zu. Seine Persönlichkeit wäre ohne die idealisierte Hingabe an seine Vaterstadt mit geradezu kindlicher Anhänglichkeit nicht vorstellbar. Auch seine musikalische Ausbildung erhielt Kreisler wesentlich in Österreich, so beim Geiger Josef Hellmesberger sowie gleichzeitig in Musiktheorie bei Anton Bruckner.

Zwischen die ebenso passend wie unterhaltsam gewählten Texte, die Johanna Lonsky mit viel sprachlich-literarischem Einfühlungsvermögen vortrug, waren insgesamt acht Musikstücke eingebaut, sieben davon von Fritz Kreisler. Dabei gehörte die musikalische Führung immer der Geigerin, doch passte sich die Pianistin so ideal an, dass auch alle minutiösen Differenzierungen von beiden gemeinsam interpretiert waren. Cornelia Löscher wählte einen durchwegs sehr dichten, intensiv vibrierten Ton, was aber die Variabilität ihres Bogenstrichs nicht beeinträchtigte. So wurden die Kantilenen höchst geschmackvoll mit Wiener Schmäh aufgeladen, gelang jedes Rubato im organisch richtigen Maß und waren die scheinbar gar nicht existenten Pausen so effektvoll gesetzt, dass das Publikum ganz gefangen lauschte. Dadurch erzeugte das "Liebesleid" einen genauso beglückenden Eindruck wie das "Liebesfreud".

Während des ganzen Vortrags war zentral ein Bild mit Fritz Kreisler und seiner Frau Harriet als elegantem Ehepaar zu sehen. Eleganz und Noblesse prägten auch das Spiel der Musikerinnen und die Lesung der Schauspielerin. Hier war nichts improvisiert oder dem Zufall überlassen, wodurch der Charakter der Musikstücke jeweils nahtlos an die Stimmung der vorausgehenden Texte anschloss. Trotzdem wirkte der Kontext so frei und authentisch, dass die Veranstaltung einen äußerst professionellen Eindruck machte. Zum Schluss gab es lang anhaltenden und begeisterten Beifall, dem noch ein Stück als Zugabe folgte. Und vielleicht wäre die fast eineinhalbstündige Veranstaltung noch beeindruckender gewesen, wenn man ein paar der Piècen mehr hätte hören dürfen, die sich fast rauschhaft auf das Publikum legten.

© SZ vom 12.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: