Olching:Visionen für den Verkehr

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Über die Mobilität der Zukunft diskutieren (von links) Martin Hauschild, Katrin Staffler, Felix Kybart, Hermann Seifert und Andreas Thellmann im Kom in Olching. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Auf Einladung von Katrin Staffler diskutieren Experten über die Zukunft der Mobilität in Ballungsgebieten wie der Region München

Von Ingrid Hügenell, Olching

Wird in ein paar Jahren das Lufttaxi ein normales Verkehrsmittel sein, das man sich gönnt wie heute ein normales Taxi? Wie stark wird der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ausgebaut und kann er die Probleme des wachsenden Großraums München lösen? Werden ÖPNV und Carsharing mit Leihfahrrädern vernetzt oder geht der Trend vielleicht zu kleineren Strukturen in den Wohnquartieren und vielleicht sogar zu Arbeitsplätzen in der Nähe der Wohnung? All diese Fragen sind kürzlich auf Einladung der CSU-Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler in Olching diskutiert worden. "Mobilität ist ein Thema, das jeden betrifft", sagte Staffler zu Beginn. Sie hatte dazu vier Experten eingeladen, drei aus der Industrie: Felix Kybart, Leiter alternative Antriebe bei MAN, Martin Hauschild, Leiter Mobilitätstechnologien bei BMW, Andreas Thellmann, zuständig für Lufttaxis bei Airbus, und dazu als vierten Hermann Seifert, der im Landkreis für den ÖPNV zuständig ist.

Bevor Kybart seinen Impulsvortrag begann, fragte er die gut 40 Besucher, wie sie ins Olchinger Kom gekommen seien. Nur zwei waren mit dem Bus da, vier gaben an, ein Elektro-Auto zu nutzen. Auf seine Frage, warum nicht mehr Leute elektrisch unterwegs sind, wurden aus dem Publikum als Gründe genannt: geringe Reichweite, fehlende Wirtschaftlichkeit, dass es keine Fahrzeuge in VW-Bus-Größe gibt, dass der Strom zum großen Teil aus Kohle erzeugt wird.

Die Reichweite der Fahrzeuge werde in den nächsten Jahren spürbar steigen, sagte Kybart. Zudem werde die Infrastruktur an Ladesäulen deutlich ausgebaut, auch von Autoherstellern. Es werde bald möglich sein, mit dem E-Auto von München nach Hamburg zu fahren und unterwegs nur einmal laden zu müssen.

Besondere Vorteile sieht Kybart im Einsatz von E-Fahrzeugen für die Auslieferung von Waren und den Busverkehr in Städten. "Die Nachfrage ist riesig", sagte er. Grund sei die Luftreinhaltung. Elektrofahrzeuge seien emissionsfrei unterwegs, allerdings nur lokal. Denn in Deutschland werden bislang nur 23 Prozent des Stroms regenerativ erzeugt. "Sauberen Strom, das muss man selber wollen und selber machen", sagte er - etwa über Windenergie. Deren Ausbau ist in Bayern durch das Zehn-H-Gesetz praktisch zum Erliegen gekommen. Bei MAN habe man die Bedeutung der Kohlendioxid-Einsparung für den Klimaschutz verstanden. Auch weil zwar der Besitz eines Autos kein Statussymbol mehr sei, sich der Wunsch nach Mobilität aber nicht ändere, setze BMW auf Carsharing-Modelle wie "Drive now", sagte Martin Hauschild. Er sprach sich dafür aus, vieles einfach auszuprobieren und weiter zu entwickeln, was sich bewähre. "Wir wissen, wo wir hinwollen, aber die Zukunft voraussehen können wir nicht."

Für Hauschild ist eines der zentralen Themen der Platz - im ruhenden wie im fließenden Verkehr. Denn auch mit E-Mobilen und Carsharing gebe es weder weniger Fahrzeuge und noch weniger Fahrten. Kybart sagte dazu, mit elektrisch betriebene Lastwagen könne man auch nachts fahren, weil die keinen Lärm machten. So könnte man zugleich Fahrzeuge einsparen und tagsüber, in den Stoßzeiten, die verstopften Straßen entlasten.

Andreas Thellmann ist davon überzeugt, dass in einigen Jahren autonom, also ohne Pilot, fliegende Lufttaxis zumindest in größeren Städten zum Verkehrsangebot gehören werden. Denn für ihn sind sie die Lösung für die immer größer werdenden Stauprobleme vor allem in den Megacitys mit mehr als zehn Millionen Einwohnern.

Seifert entwarf eine Vision für den öffentlichen Nahverkehr. "Unser Ziel wäre, den Zugang zu den Verkehrsmitteln so leicht wie möglich zu gestalten." Der MVV könnte eine Plattform anbieten, auf der Busse und Bahnen mit Angeboten wie Ruftaxis, Carsharing und Leihrädern vernetzt werden. Über einen Entfernungstarif könnten die Fahrgäste alle Verkehrsmittel gleichermaßen nutzen. Der Fahrer eines Carsharing-Autos würde mehr bezahlen als der eines Leihrades. Dazu schwebt Seifert ein System des E-Ticketing vor, bei dem die Fahrgäste sich nicht mehr mit dem Kauf von Fahrkarten befassen müssten. So würden die Barrieren zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel stark gesenkt. Schon in drei bis vier Jahren würde Seifert das gerne einführen. Eine gemeinsame Plattform für die gesamte Mobilität wäre auch für Hauschild die Lösung.

Einige Wortmeldungen zeigten, dass vielen Menschen Zukunftsvisionen weniger wichtig sind als die simple Frage, wie sie zur Arbeit nach München kommen, ohne im Stau zu stehen oder mit Problemen der S-Bahn kämpfen zu müssen. Kybart warf dazu eine Frage auf, die das Mobilitätsproblem von einer ganz anderen Seite beleuchtet: "Warum können Sie nicht in der Nähe arbeiten? Warum haben so viele von uns so lange Wege?", fragte er. Man könnte, so sein Vorschlag, die Orte wieder besser durchmischen, mit kleinen Geschäften und Arbeitsplätzen. Viele Fahrten würden auf diese Weise überflüssig werden. Seine Aufforderung an alle: "Denkt mal wieder klein!"

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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