Barocknacht:Überraschende Kombinationen

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Die Olchinger Barocknacht bietet ihren Besuchern Ausschnitte aus der Oper "L'Orfeo" von Claudio Monteverdi und Instrumentalmusik

Von KLAUS MOHR, Olching

Würde Orpheus heute leben, man würde ihn als Supermann bezeichnen: Jemandem, dem es gelingt, durch seinen Gesang Menschen, Tiere, die Umwelt und sogar die Götter zu verzaubern, dem gehört die Welt. Daraus allein ergäbe sich aber nur eine sehr einseitige Figur aus der griechischen Mythologie. Interessant wird Orpheus insbesondere deshalb, weil er auch einen folgenschweren Fehler begeht, der dazu führt, dass er seine Geliebte Eurydike auf immer verliert. Hier kommen auf einmal Emotionen ins Spiel, zunächst die Liebe zu Eurydike, dann aber auch der Schmerz über ihren Verlust. So verwundert es nicht, dass die Geschichte um Orpheus und Eurydike unzählige Komponisten so sehr fasziniert hat, dass sie sie musikalisch verarbeiteten. Claudio Monteverdis Oper "L'Orfeo", die zu Beginn des 17. Jahrhunderts entstand, nimmt dabei bis heute einen herausragenden Platz ein. Zahlreiche Ausschnitte aus dieser Oper standen im Zentrum der achten Barocknacht in der Kulturwerkstatt am Olchinger Mühlbach.

Michael Schopper, quasi Impresario und Intendant der Veranstaltungen des Kulturvereins Eleven-Eleven in einer Person, war auch diesmal der Spiritus Rector der Barocknacht. Ohne ihn, seine hervorragenden Kontakte zu vielen Musikern und insbesondere durch seine gewinnende Art, Menschen von seinen Ideen zu überzeugen, gäbe es diese Veranstaltung nicht. Die Zusammenstellung eines stimmigen Programms dürfte dabei einer Art Sisyphusarbeit gleichgekommen sein: Da die Stücke nach ihrer Thematik um das Pasticcio aus Opernmusiken von Claudio Monteverdi zusammengestellt waren, mussten jeweils die Anschlüsse mitbedacht werden, damit nicht nur eine lose Folge schöner Musikstücke erklingen konnte. Durch die Abwechslung aber konnten die Zuhörer nicht nur eintauchen in die Welt Monteverdis, sondern zugleich in den ganzen Kosmos dieser spannenden Zeit zu Beginn des Barock, insbesondere in Italien.

Eine Klangwelt mit schier unerschöpflichem Reichtum: die Musiker bei der Olchinger Barocknacht. (Foto: Günther Reger)

Allein der Blick auf die Bühne des großen Saals wirkte überraschend: Da gab es im Orchester eine Reihe an Instrumenten, die dem Konzertbesucher eher nicht so geläufig sind, oder die man in der Regel etwas anders kennt. Genau dadurch aber ergab sich eine Klangwelt, deren Reichtum schier unerschöpflich schien, und die in ihrer Vielfalt eine ganz unverstellte Frische vermittelte. Michael Eberth und Manuel Dahme saßen an Cembalo und Orgel und führten damit das Orchester an. Die Toccata aus Monteverdis Orfeo begann mit einem beständigen Orgelton, über dem sich ein bewegter Klang der tiefen Bläser entwickelte, der auch perkussive Elemente hatte. Zu den Bläsern gesellten sich dann die Streicher, so dass der Zuhörer gut ein Zeremoniell vor höfischer Kulisse imaginieren konnte.

Auf dieser Vorlage intonierte Sopranistin Maria Weber, die später auch als Eurydike zu hören war, "La Musica". Mit sicherer Stimmführung, glockenhellem Ton und zarten Verzierungen in der Linie verkörperte sie quasi den Idealtypus dieser Rolle. Ihre weit gespannte Tongestaltung gelang auf der Basis einer reduzierten Besetzung im Orchester und brachte die motivische Verkettung der einzelnen Phrasen gut zum Ausdruck. Wesentliches Kennzeichen dieser Musik war ihre transparente Durchhörbarkeit, so dass sich die Klangfarbe je nach Beteiligung des einen oder anderen Instruments deutlich veränderte. Hinzu kam große Abwechslung, die durch den häufigen Wechsel zwischen geradem und ungeradem Takt, aber auch durch die Veränderung des Tempos entstand. All diese Merkmale repräsentieren in ihrer oft überraschenden Kombination gerade die Musik des frühen Barock, während die spätere Bach-Zeit für uns heute viel mehr an standardisierten Klangfolgen aufweist.

Singt die Eurydike: die Sopranistin Maria Weber. (Foto: Günther Reger)

"Rosa del ciel", zu deutsch "Rose des Himmels", gehört zu den Glanznummern des Orfeo in Monteverdis Oper. Gerd Türk, Startenor der Alte-Musik-Szene, verkörperte die Titelrolle nicht spektakulär. Vielmehr verstand er es, aus dem natürlichen Fluss der Töne in der Mittelage einen betörenden Gesang zu formen, und damit eine klangliche Visitenkarte der übersinnlichen Fähigkeiten des Protagonisten abzugeben. Die Idee, Textausschnitte zum Thema lesen zu lassen, die den Urgrund der Geschichte beleuchten, war ausgezeichnet. Peter Pius Irl trug die Texte aus Ovids Metamorphosen jedoch nicht nur vor, er ließ sein Publikum die Geschichte hautnah und spannend miterleben.

Weitere Programmblöcke umrahmten die Orpheus-Geschichte auf wunderbare Weise: Die Instrumentalmusik für Zink, Blockflöte, Bassdulzian und Orgel verschiedener italienischer Komponisten wirkte wie eine Fundgrube musikalischer Ideen in dieser Zeit. Vitalität im Zusammenspiel oder auch spannungsgeladenes Musizieren in langen Bögen kennzeichnete den Klangeindruck. "Liebe und Frühling", das galt nicht nur für die Lieder, die den musikalischen Kreis über Europa nach Deutschland und England zogen, sondern auch für die jugendlichen Interpreten in der intimeren Atmosphäre des unteren Saals.

Die Barocknacht könnte sicher nicht stattfinden, wenn das Ehepaar Gabi und Günther Frank nicht alle Kraft einsetzen würde, neben den vielen großen organisatorischen Herausforderungen auch die vielen Details ganz selbstverständlich und unauffällig zu realisieren. Viele Besucher werden zur Barocknacht gekommen sein, weil sie auch die letzten Male da waren und weil ihnen der immer wieder fast gleiche Ablauf gefällt. Trotzdem wird man sich die Frage stellen müssen, ob eine Überarbeitung des Konzepts nicht überfällig ist. Die im Vergleich zu 2013 deutlich geringere Besucherzahl zeigt, dass eine Weiterentwicklung dringend erforderlich ist.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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