Olching:Sturz vom Baumhaus

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Als in zehn Metern Höhe ein morsches Geländer bricht, verunglückt eine 14-Jährige am Sonntagabend am Ufer der Amper bei Olching. Höhenretter der Feuerwehr seilen die Verletzte aus dem Geäst einer mächtigen Weide ab

Von Stefan Salger, Olching

Es sind dramatische Szenen am Ufer der Amper zwischen Geiselbullach und Graßlfing. Nahe dem Golfplatz steht die mächtige Weide, in deren ausladenden Ästen Jugendliche vor mehr als 15 Jahren ein mehrstöckiges Baumhaus zusammengezimmert haben. Am frühen Sonntagabend erklimmt eine 14-Jährige gemeinsam mit gleichaltrigen Freunden das Bauwerk aus Holz. Sie ist bereits in zehn Metern Höhe angekommen, als eine morsche Holzstrebe aus dem Geländer bricht. Das Mädchen kann sich nicht mehr halten, stürzt in die Tiefe und prallt fünf Meter tiefer auf Höhe der ersten Etage des Baumhauses auf eine Astgabel. Später wird sich herausstellen, dass ihre Verletzungen nicht lebensgefährlich sind und sie wohl wieder völlig gesund wird. Zunächst aber durchleiden ihre Freunde bange Minuten und Stunden.

Um 17.40 Uhr geht der Alarm bei der Feuerwehr Geiselbullach ein. Erschwert wird der Einsatz dadurch, dass die Unfallstelle in einem Knick der Amper liegt, der mit Fahrzeugen nicht erreichbar ist - somit auch nicht für die Drehleiter der Feuerwehr Esting. Tim Pelzl, stellvertretender Kommandant der Feuerwehr Geiselbullach, ist gemeinsam mit 30 Kollegen im Einsatz. An einer Stelle lichten sie das Unterholz und schlagen eine Schneise frei, um dem ebenfalls anrückenden Höhenrettungsteam der Berufsfeuerwehr den Abtransport des laut Polizei "ernst, aber nicht lebensgefährlich verletzten" Mädchens zu erleichtern. Die 14-Jährige wird aus gut fünf Meter Höhe in einer Schleifkorbtrage abgeseilt und vom Rettungshubschrauber "Christoph eins" in eine Münchner Klinik geflogen. Dort geben die Spezialisten zunächst Entwarnung: Der Verdacht auf eine Verletzung der Wirbelsäule, auf die zunächst Schmerzen im Rücken hingedeutet hatten, bestätigt sich nicht. "Körperliche Schäden dürften in diesem Zusammenhang ausgeschlossen werden können", schreibt der diensthabende Hauptkommissar Wolfgang Fauser.

Bis in eine Höhe von 17 Metern reicht das dreigeschossige Baumhaus nahe dem Golfplatz. (Foto: Johannes Simon)

Die Polizeiinspektion Olching wird in dem Fall dennoch weiter ermitteln. Denn es ist völlig offen, wer die Verantwortung für den Unfall trägt und ob Konsequenzen gezogen werden müssen. Die Stadt Olching als zuständige Sicherheitsbehörde sei über den Vorfall in Kenntnis gesetzt worden, so Fauser. "Maßnahmen zur Beseitigung der potenziellen Gefahrenquelle in die Wege zu leiten" obliege "der originären Entscheidung der Stadt". Es geht um Haftungsfragen und Zuständigkeiten. Damit dürfte eine bereits vor gut drei Jahren angestoßene Debatte wieder aufflammen. Schon damals war vor allem dieses mit Leitern und einer abschließbaren Eingangstür versehene dreigeschossige "Holz-Hochhaus", das bis zu 17 Meter in die Höhe ragt und wohl das Gemeinschaftswerk von zehn Jugendlichen ist, in den Blickpunkt geraten. Nicht weit entfernt, am anderen Ufer, steht ein weiteres Baumhaus, dessen Plattform über die Amper ragt. Olchings Verkehrsreferent Hans Bieniek (CSU) hatte die Baumhäuser westlich der Amperbrücke im Januar 2014 angesprochen und die Frage aufgeworfen, wer bei einem Unfall für den Schaden haftbar gemacht würde.

Letztlich geklärt wurde die Angelegenheit offenbar nicht. Auf die Verkehrssicherungspflicht angesprochen, verweist das Olchinger Ordnungsamt im aktuellen Fall aufs Wasserwirtschaftsamt München. Abteilungsleiter Christian Richter, der sich 2014 gegen einen Abriss der Baumhäuser ausgesprochen hatte, beauftragte gleichwohl noch am Sonntagabend den städtischen Bauhof, den Bereich mit einem Band abzusperren und ein Schild mit der Aufschrift "Zutritt verboten" aufzustellen.

Die Feuerwehr Geiselbullach hilft dem Höhenretterteam beim Abtransport der Verletzten. (Foto: FFW Geiselbullach)

Martin Popp, Leiter des Wasserwirtschaftsamts München, sieht hingegen vor allem die Erziehungsberechtigten in der Pflicht, ihre Kinder auf die möglichen Gefahren beim Besteigen von Baumhäusern hinzuweisen. Popp zufolge ist die Flussmeisterstelle damals auf die Stadt zugegangen und kam schließlich auch ins Gespräch mit den Eltern eines der jugendlichen Baumeister. Die Behörde verzichtete demnach auf den Abriss der Baumhäuser, im Gegenzug sollten die Eltern ein Auge darauf haben, dass die Holzverschläge kein Sicherheitsrisiko darstellen. Eine fortlaufende Kontrolle durch das Wasserwirtschaftsamt sei angesichts der vielen Flusskilometer nicht machbar, Absperrungen stünden zudem dem Gebot, freien Zugang zu den Gewässern zu ermöglichen, entgegen. Entsprechend skeptisch reagiert Popp deshalb auch auf die jüngste Olchinger Initiative mit Absperrband und Schild: "Die Stadt sollte sich da auf jeden Fall mit uns abstimmen."

Unfälle wie jener am Sonntagabend sind dem Wasserwirtschaftsamt bislang ebenso wenig bekannt wie der Stadt. Auch deshalb wohl hatten sich die Olchinger bislang zumeist gegen eine "Überreglementierung" gewehrt und für eine Duldung der Baumhäuser plädiert - als Abenteuerspielplatz und selbst organisierter Freiraum der Jugendlichen in der Natur.

© SZ vom 26.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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