Olching:Sicherheitsdenken und seine Auswüchse

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Die Jahresausstellung am Gymnasium Olching widment sich dem Thema "Safety first"

Von Marisa Gierlinger, Olching

Ariana Ukaj aus der 5a stemmt die Hände in die Seiten, knapp über den reflektierenden Sicherheitsstreifen an ihrem schwarzen Kostüm. "Ich bin Sicherheitspersonal und muss aufpassen, dass die Leute nichts Schlimmes machen. Wenn sie über den Hinweg zurückgehen, zum Beispiel. Oder wenn sie sich beim Buffet zu viel auf den Teller laden. Dann müssen sie ins Gefängnis." Das "Gefängnis" befindet sich im Durchgang hinter einem Zaun, wo die Schüler sich gegenseitig sowie ihre Eltern eifrig hin verfrachten, sollten sie einen solchen Regelverstoß begangen haben. Dazu gehört auch, sich mit ihrer einfarbigen Eintrittskarte Zugang zu einem für sie nicht zugelassenen andersfarbig markierten Raum verschafft zu haben. Alles unter dem Argument, Sicherheitslücken zu minimieren, Gefahren zu bannen, Risiken einzuschränken. Unter dem Titel "Safety First" nimmt die Jahresausstellung des Olchinger Gymnasiums die absurden Auswüchse eines hysterischen Systems spielerisch auf.

Eröffnet wird die Ausstellung durch eine knapp dreiminütige Performance der Theatergruppe, zu der auch Ariana gehört. Zwischen rot-weißen Sicherheitsbändern bewegen sich die Schüler dabei umher, geraten durcheinander und strecken ballettartig ihre Gliedmaßen von sich. Zum Schluss fallen sie alle zu Boden, wo sie regungslos liegen bleiben. Ariana erzählt später, dass das kurze Stück für das Bienensterben stehen sollte. Auch Ökologie ist eines der Themen, die hier immer wieder aufgegriffen werden.

Die Jahresausstellung wird traditionell in erster Linie von den Fünftklässlern vorbereitet. Doch auch Schüler der neunten Klasse trugen in Form selbst kreierter Sicherheitskleidung dazu bei, ebenso die Ganztagsschüler und die Fachschaft Musik, die die Performance im Orchester mit Schostakowitschs Walzer N.2 begleitet. Besondere Beachtung finden auch die kurzen Animationsfilme, die Schüler der sechsten und siebten Klassen produzierten und für den Anlass beisteuerten.

In den Ansprachen von Schulleiter René Horak und der Lehrerschaft geht es um das "Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit", "Paradoxien des gegenwärtigen Sicherheitsdiskurses" und "unterwerfende Strukturen". Die Schüler der fünften Klassen, die in der Umsetzung des Themas die Hauptrolle spielen, scheint das alles weniger zu berühren. Sie haben Spaß an der kreativen Gestaltung und am Räuber-und-Gendarm-Spiel. Auf das Thema übertriebene Sicherheit angesprochen sagt Ariana: "Ich finde das schon gut, wie es ist."

Bei Eltern und Lehrern kommt das Thema der Jahresausstellung gut an. Zwischen den Ausstellungsstücken und am Buffet wird viel diskutiert. Etwa über Sicherheit auf dem Schulweg oder neue Systeme, Kinder risikofrei mit Haustürschlüsseln auszurüsten. Alexandra Kirchner hat eine Tochter in der neunten Klasse und kann dem Gedanken hinter der Ausstellung zustimmen. "Vieles ist da übertrieben. Ich muss schon den Kopf schütteln, wenn ich sehe, wie Kinder mit Helm Laufrad fahren." Dass sich beim Buffet keine Schilder oder Listen mit Inhaltsstoffen und Unverträglichkeitshinweisen finden, lässt zwar eine weitere Möglichkeit innerhalb des Themenspektrums aus, ist aber doch fast beruhigend.

Lilly Hanke aus der 5b war unter anderem an der Gestaltung von Überwachungskameras aus Plastikmüll beteiligt. Den derzeitigen Sicherheits-Nachdruck findet sie eigentlich okay: "Bei manchen Dingen kann man auch noch mehr tun." Ähnlich sieht das ihr Vater Urs Hanke, auch wenn er manche Diskussionen - wie etwa jene über E-Scooter - überzogen findet. Wichtig ist ihm, dass Kinder früh an solche Konzepte herangeführt werden. "Ich kann natürlich überall Schilder aufstellen und alles verbieten. Aber manchmal hilft es auch einfach, mitzudenken."

© SZ vom 25.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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