Olching:Motivierende Wettbewerbe

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Akkordeonvirtuose Florian Wagner mit seinem 15 Kilogramm schweren Instrument, für das bei Reisen im Flieger schon mal ein eigener Sitzplatz gebucht werden muss. (Foto: Carmen Voxbrunner)

An der Weltmeisterschaft der Akkordeonspieler erneut teilzunehmen und sie dann zu gewinnen, ist für Florian Wagner aus Olching ein wichtiges Ziel. Schon einmal hat der 15-Jährige einen guten Platz belegt

Von Kim Romagnoli, Olching

Während der Pandemie verbringt Florian Wagner viel Zeit zu Hause, schickt dafür aber seine Musik auf Reisen rund um den Globus: In Gefrierbeuteln verpackt, erreichen die USB-Sticks mit seinen Aufnahmen Jurys großer Wettbewerbe. Mit Videos, die im Wohnzimmer der Wagners gedreht wurden, gewinnt der Fünfzehnjährige sogar internationale Musikwettbewerbe in Frankreich und Russland. Als schließlich wieder Live-Auftritte mit Publikum stattfinden können, nimmt er am Coupe Mondiale in München teil - für Akkordeonspieler einer der wichtigsten Wettbewerbe weltweit. In der Kategorie "Junior Virtuoso Entertainment" belegt Florian den vierten Platz und ist damit der bestplatzierte deutsche Teilnehmer.

Die Weltmeisterschaft sei sein bislang "coolster Wettbewerb", findet der junge Olchinger. Eine so gute Platzierung haber er nicht erwartet, zumal die Konkurrenz bis zu drei Jahre älter war.

Seine Faszination für das Akkordeon entdeckt er als Zweitklässler bei einem Vortrag in der Schulaula. Er nimmt Unterricht und gewinnt schon bald seinen ersten Wettbewerb. An diese Erfahrung kann sich Florian noch gut erinnern: "Das war damals ziemlich chaotisch. Aber ich hatte an dem Tag sehr viel Spaß und wollte danach unbedingt weitermachen."

Sieben Jahre ist dieser erste Erfolg mittlerweile her , und obwohl die Begeisterung für sein Instrument geblieben ist, hast sich seitdem vieles verändert: "Inzwischen bin ich professioneller und deutlich weniger aufgeregt. Vor Auftritten denke ich nicht mehr, dass ich möglichst gut spielen muss. Ich freue mich, auftreten zu dürfen und genieße das Erlebnis."

Deshalb kann Florian mittlerweile selbst dem Verlieren einiges abgewinnen: Es helfe ihm dabei, seine eigenen Schwachstellen zu erkennen und daraufhin "das Üben zu perfektionieren". Täglich widmet er ungefähr eine Stunde seinem Akkordeon. Damit bleibt ihm ausreichend Freizeit, die er etwa mit Fußballspielen verbringt. Hätte er seine Leidenschaft für das Musizieren nicht entdeckt, wäre er wohl einem Fußballverein beigetreten, vermutet der Akkordeonist. "Aber wahrscheinlich wäre ich mit einem Hobby niemals so glücklich geworden."

Wenn Florian nicht gerade in seine Musik vertieft ist oder mit Freunden auf dem Bolzplatz kickt, dann besucht er die zehnte Klasse des Gymnasiums Olching. Von vielen seiner Altergenossen unterscheide ihn sein Durchhaltevermögen, sagt er über sich. Er sieht darin eine Hauptursache für seinen Erfolg. Dann gesteht er lachend sein persönliches Dilemma: "Ich bin außerdem perfektionistisch, aber gleichzeitig auch sehr faul." Das sei gelegentlich eine sehr ungünstige Kombination von Charakterzügen. Daher nehme er an kleineren Wettbewerben insbesondere aufgrund des "Motivation-Boosts" teil. Der Gedanke an einen anstehenden Wettbewerb sei auch an schlechten Tagen ein wirksamer Anreiz für Übungseinheiten.

Florians schlicht eingerichtete Übungsnische entdeckt man im Wohnzimmer der Wagners erst auf den zweiten Blick. Dort türmen sich keine Auszeichnungen und an den Wänden hängen keine protzigen Fotodrucke vergangener Preisverleihungen. Es ist derselbe bodenständige Stolz, mit dem auch seine Eltern über den jungen Musiker sprechen - ein Stolz, der in erster Linie Florian selbst gilt und nur zweitrangig seinen musikalischen Erfolgen.

So gut es geht unterstützen Gabriele und Anselm Wagner ihren Sohn - auch wenn das bedeutet, seinem 15 Kilogramm schweren Knopfakkordeon bei Flügen ins Ausland einen eigenen Sitzplatz zu buchen. Wichtig ist ihnen dabei allerdings, dass Florian stets selbst die "treibende Kraft" hinter seiner Musik ist. "Ich trete auf und nehme an Wettbewerben teil, weil ich das selbst möchte", bekräftigt der Akkordeonist. "Nicht, weil ich dazu gedrängt werde."

Weil weder sie selbst, noch ihr Ehemann ein Instrument spielen, sind Gabriele Wagner die Grenzen ihrer Unterstützungsmöglichkeiten bewusst: "Wenn Florian die Noten runterfallen, kann ich ihm nicht einmal dabei helfen, sie zu sortieren," sagt sie lachend. Daher sei es wohl der Urgroßvater, der ihm die Zuneigung für die Akkordeon-Musik vererbt habe.

Wohin Florian dieses Erbe künftig führen wird? Hauptberuflich - so viel seht fest - will er einen anderen, noch ungewissen Weg einschlagen. Trotzdem hofft er, eines Tages mit seinen Auftritten Geld verdienen zu können. Im kommenden Jahre möchte sich der Olchinger daher erstmals als Straßenmusiker versuchen. Auch am Coupe Mondiale würde er eines Tages gerne erneut teilnehmen - dann bestenfalls als Erstplatzierter.

Wenn Florian Wagner über die Zukunft spricht, ist ihm - bei aller Ernsthaftigkeit und allem Ehrgeiz - die Leichtigkeit anzumerken, mit der er sich selbst und seine Musik nehmen kann. Das weiße, makellos gebügelte Hemd, seine Eloquenz und die reflektierten Äußerungen, lassen ihn auf den ersten Blick für einen Fünfzehnjährigen ungewöhnlich erwachsen wirken. Aber auf den zweiten Blick ist er ein Teenager, der sich nachmittags mit Freunden auf dem Fußballplatz verabredet, der gerne Radio-Hits hört und sich selbst als "lebensfroh" beschreibt. Und den obersten Knopf des weißen Hemdes, den lässt er offen.

© SZ vom 27.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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