Olching:Kunstwerke für den täglichen Gebrauch

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Geeignet für Jäger, Fischer, Trachtler - oder auch einfach fürs Brotzeitmachen: Bei der Fachmesse im Kom werden hochwertige Messer angeboten. (Foto: Günther Reger)

Bei den Messertagen in Olching werden handgefertigte Unikate angeboten, mit Griffen aus fossilen Knochen oder geschnitztem Holz

Goldkettchen, Diamantring? Eher nichts für echte Männer. Wenn die Schmuck tragen, dann entweder am Handgelenk in Form einer mechanisch tickenden Uhr oder in Form eines hochwertigen Messers. Kunst bedarf der Alltagstauglichkeit. Wenn Erwin Schneller so etwas hört, dann lacht er. Natürlich kann man Männlein und Weiblein nicht in solche Schubladen stecken. Und natürlich gibt es sehr wohl Frauen, die gerne ein "Neck-Knife" am Lederband um den Hals tragen. Aber wirklich widersprechen mag der Vorsitzende des Olchinger Messerarbeitskreises auch nicht. Der 77-Jährige steht am Sonntag bei den Olchinger Messertagen hinter einem Tisch im Erdgeschoss des Kom. Vor ihm liegen zwei Jahresproduktionen: keine 20 Messer. Es sind keine so spektakulären Stücke wie die sündteuren Metallklappmesser aus der Schweiz am Stand nebenan oder die furchterregenden Survival-Messer, die einen Stock höher offeriert werden und mit denen man es wahrscheinlich mit einem Elefantenbullen aufnehmen könnte. Schneller und eigentlich auch alle 52 Aussteller sowie die Mehrheit der an die tausend Besucher, die an den zwei Messetagen kommen, vereint das Bewusstsein, dass Materialwert oder Größe nicht die entscheidenden Kriterien für ein gutes Messer sind - mehr als zwölf Zentimeter lange Klingen dürfen zudem gar nicht öffentlich mitgeführt werden. Und auch wenn am Bücherstand im Foyer Fachliteratur für Dolchfechten und Messerkampf feil geboten wird - ein Liebhaber setzt sein Messer eher bei der Brotzeit oder der Jagd oder auch mal daheim in der Küche ein. Landet ein solches handgefertigtes Unikat in der Vitrine, ist das für den gelernten Klimatechnik-Ingenieur Verschwendung und "eine Leiche". Messer müssen eingesetzt werden. "Sie müssen leben" - und nach getaner Arbeit auch sterben dürfen: wenn sie zum x-ten Mal scharf geschliffen worden sind und die Klinge dadurch in allen Ehren an Substanz verloren hat. Für Schneller ist das Messer ein Hobby, das er sich Tag für tag an die drei Stunden kosten lässt. Alles fing an, als er sich vor 15 Jahren einen Bausatz für ein nordisches Messer gekauft hatte. Schnell stiegen die Ansprüche. Seither bearbeitet er alles selbst: Aus einem Block aus Nussbaum oder Walnuss oder auch mal einem Mammut- oder Giraffenknochen wird ein Griff, aus einem Stück Leder eine Messerscheide und aus einem Flacheisen mit Hilfe von Bandschleifer und Feile eine Klinge. 40 Stunden hängen nicht selten an so einem Messer. Schneller verkauft sie an Fischer, Jäger, Falkner, Wanderer, die so ein perfekt verarbeitetes "verziertes Werkzeug" zu schätzen wissen. Raus damit in die Natur, an die Arbeit. Mit dem Erlös finanziert Schneller dann neues Material. Seine Messer wechseln zu Preisen zwischen 100 und 280 Euro den Besitzer. An anderen Ständen geht es für besonders aufwendige Stücke bis hinauf auf 3000 Euro.

Die Preise hängen auch vom verwendeten Material ab. Wer wüsste das besser als Andre Olbricht aus dem hessischen Knüllwald, den alle hier nur "Dhan" nennen. Dhan tingelt durch die ganze Welt, um Materialien für Messergriffe aufzuspüren. Er hat alles im Angebot: Schildpatt, Giraffen- oder auch vollgrifftaugliche Straußenknochen, verschiedenste Hölzer. Je seltener oder wegen erforderlicher Exportlizenzen aufwendiger, desto teurer. Bei ausgestorbenen Tieren ist es unkomplizierter, so wie im Falle des mit Kunstharz stabilisierten sibirischen Mammutbackenzahns. Oder bei der vor 300 Jahren ausgestorbenen Stellerschen Seekuh, deren Knochen von Inuits in Alaska geborgen wurden. Nun liegen sie auf Dhans Tisch. Und in verarbeiteter und verzierter Form an Nachbartischen - bereits ergänzt um des Messers Schneide.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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