Olching:Im Außenbereich

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Bewohner des Graßlfinger Mooses dürfen auf ihren Grundstücken nicht neu bauen, auch nicht für ihre Kinder. Die Stadt Olching möchte das ändern, doch das ist wegen gesetzlicher Hindernisse schwierig

Von Karl-Wilhelm Götte, Olching

Albert Riedl kann das alles nicht so recht fassen. Er wohnt im Außenbereich Olchings, im Graßlfinger Moos, und steht vor seinem Elternhaus, in dem er vor 60 Jahren geboren worden ist. Seit dem Tod seiner Eltern steht das Haus leer. Das Gebäude wurde in den Zwanzigerjahren gebaut und wirkt von außen reif für den Abriss. Den möchte Riedl auch gerne vornehmen und an gleicher Stelle, auf der gleichen Grundfläche neu bauen. Doch sein Wunsch lässt sich nicht erfüllen. "Bauanträge sind mir zweimal vom Brucker Landratsamt abgelehnt worden", erzählt Riedl und macht einen desillusionierten Eindruck. Nun könnte sich das bald ändern, weil die Olchinger Bauverwaltung möglicherweise einen Dreh gefunden hat, die Riedl und andere Leidensgenossen im weitläufigen Graßlfinger Moos das Bauen ermöglichen könnte.

Bauen in ihrem "Moos", wie es die Graßl-finger nennen, ist ein leidiges Kapitel für die dortigen Bewohner. An die 700 Menschen sind es, die verstreut auf einem riesigen Areal leben. Bis zu sieben Kilometer sind es bis zur Olchinger Stadtmitte. Sie leben aber auch im Naturschutzgebiet, und das macht es kompliziert. Gerne wurde vom Olchinger Stadtrat das Moos hergenommen, wenn es für ein größeres städtisches Bauprojekt galt, die notwendigen Ausgleichsflächen zu schaffen. "Wir sind der Suchraum für Ausgleichsflächen", sagt Michael Neumeier. Er ist der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Graßlfing (IGG) und beschwert sich: "Diese Ausgleichsflächen gehen uns bis zur Haustüre." Das ganze Moos sei im Flächennutzungsplan durch Ausgleichsflächen schraffiert. "Das ist ein Bauhindernis", meint Neumeier und stöhnt. Das Brucker Landratsamt, das die Bauanträge der Graßlfinger mit schöner Regelmäßigkeit ablehnt, argumentiert damit, dass in die Ausgleichsflächen nicht hineingebaut werden darf.

Auch der 68-jährige Neumeier ist in Graßlfing geboren. Es wiederholt sich immer das Gleiche. Tochter oder Sohn wollen heiraten, doch es fehlen die Erweiterungsmöglichkeiten des Wohnraumes auf dem Grundstück. Die Kinder und Enkelkinder müssen abwandern; die Familie, die gerne zusammenbliebe, fällt auseinander. Im Rahmen der Überarbeitung des Flächennutzungsplanes hat sich der Olchinger Stadtrat jetzt daran gemacht, einen möglichen Ausweg für die Leiden der Graßlfinger zu finden. Die Idee dazu stammt aus dem Olchinger Bauamt. Leiter Markus Brunnhuber und seine Stellvertreterin Stephanie Kulosa haben sich den Paragraf 35 des Baugesetzbuches vorgenommen, um für die Bewohner im Moos das Bauen zu erleichtern. Die Experten aus dem Bauamt bezeichnen das Moos jetzt als "Kulturlandschaft". "Für diesen Bereich könnte in einem gesonderten informellen Verfahren eine Fibel zu 'Erhalt und Zukunftsentwicklung des Graßlfinger Mooses' erarbeitet werden", schreiben Brunnhuber und Kulosa in einer Vorlage für den Stadtrat.

"Wir müssen mehr Möglichkeiten zum Bauen bekommen, sonst ziehen die Jungen alle weg", fordert Michael Neumeier. (Foto: Günther Reger)

Danach fand noch eine Besprechung des Bauamtes mit der IGG-Vertretern im Geiselbullacher Feuerwehrhaus statt, die sich von der neuen Linie der Bauverwaltung angetan zeigten und jetzt auf konkrete Vorgaben warten, wie sie künftig ihre Bauanträge stellen sollen, damit auch das Landratsamt sich nicht mehr ihren Anliegen verweigert. Dabei will Brunnhuber auf ein formales Planverfahren verzichten. Normal wäre, einen Bebauungsplan aufzustellen. "Das wäre Bauen für alle", betont der Bauamtschef. Das sei auch von der IGG nicht beabsichtigt. Da könnte sich beispielsweise auch ein Münchner ein Grundstück sichern, bauen und verkaufen. "Wir haben bis zu zehn dringliche Fälle im Moos", erläutert IGG-Chef Neumeier. Er hat vor 13 Jahren bauen dürfen, so dass bei Neumeiers drei Generationen mit häuslicher Pflege unter einem Dach leben. Neumeier ist sicher: "Wir müssen mehr Möglichkeiten zum Bauen bekommen, sonst ziehen die Jungen alle weg."

Ein gravierendes Problem ist bei einigen Bestandsgebäuden an Allacher, Feldgedinger, Birkenhof- oder Abschnitten der Seestraße der fehlende Trink- und Abwasseranschluss. Wie Michael Neumeier sind viele Graßlfinger zu weit weg vom Kanal und haben deshalb schon vor vielen Jahren einen eigenen Brunnen gegraben. Für das Abwasser gibt es am Haus eine "Kleinkläranlage", sagt Neumeier, "die ständig überprüft wird." Das Trinkwasser aus dem Brunnen sei einwandfrei. "Trinkwasser und Abwasser sind eine originäre Aufgabe der Stadt", sagt Neumeier. "Deshalb kämpfen wir dafür, dass alle Graßlfinger angeschlossen werden." Die Stadt sage jedoch, der Amper-Wasserzweckverband sei zuständig. Doch der habe für den Anschluss, je nach Entfernung zum Kanal, Preise, die sich nicht jeder Graßlfinger leisten kann. Von 40 000 bis 50 000 Euro sei die Rede.

Albert Riedl, der unweit von der Grenze zum Landkreis Dachau wohnt und auch einen Betrieb für Metallverarbeitung betreibt, hat sich vor drei Jahren über die Dachauer Gemeinde Bergkirchen für lediglich 20 000 Euro ans Trink- und Abwassernetz anschließen lassen. "Der fehlende Kanalanschluss ist ein Bauhindernis", sagt Neumeier und bezieht sich dabei ebenfalls auf den einschlägigen Paragraf 35 des Baugesetzbuchs. Riedl hat dieses Problem nicht mehr, dafür ein anderes, das ihn an einem Neubau hindert. Er wohnt zurzeit nicht in dem baufälligen Gebäude, sondern nebenan im Haus seines Bruders. Damit er das alte Haus ersetzen kann, müsste er zwei, drei Jahre dort einziehen. Also, die Ruine einigermaßen herrichten, um sie wenig später wieder abzureißen. Nicht nur Riedl hält das für absurd: "Man muss drin wohnen, aber das Haus darf nicht bewohnbar sein. Das ist schizophren."

Bauamtsleiter Brunnhuber kennt das Problem. "Das ist die sogenannte Räuberklausel", sagt er. "Das Gebäude muss einen unzumutbaren Zustand aufweisen." Der Paragraf 35 sei stark auf den Eigentümer bezogen. Er müsse persönlich darunter leiden, also drin wohnen, sonst komme die Klausel nicht zur Wirkung. Brunnhuber und Kulosa wollen einen Kriterienkatalog entwickeln, der den Graßlfinger das Bauen erleichtern soll. "Es geht um eine maßvolle Entwicklung", betont Brunnhuber, "in Abstimmung mit dem Landratsamt und der Unteren Naturschutzbehörde." Der Paragraf 35 des Baugesetzbuchs lasse dafür einigen Spielraum. In der geplanten Fibel könnte geregelt werden, wie hoch gebaut oder welcher Gebäudeteil erweitert oder ersetzt werden darf. Es gehe darum, den Menschen im Moos Möglichkeiten zu schaffen mit ihren Grundstücken und der dort existierenden Bebauung etwas Sinnvolles anzufangen, heißt es aus dem Bauamt.

Markus Brunnhuber und Stephanie Kulosa erläutern ihre Vorschläge bei der IGG-Mitgliederversammlung am 21. Januar, um 19 Uhr im Gasthaus "Haderecker".

© SZ vom 08.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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