Olching/ Germering:Soziale Förderung auf Umwegen

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Als zweite Kommune im Landkreis führt Olching Bahntickets für einkommensschwache Mitbürger ein. Während ein ähnliches Projekt in Germering reibungslos läuft, gibt es in Olching eine Reihe von Problemen

Von Julia Bergmann, Olching/ Germering

Bereits 2014 führte Germering als erste Landkreiskommune Sozialtickets ein, mit denen Bedürftige das MVV-Verkehrsnetz kostenlos nutzen können. Nun soll es zwei solcher Tickets auch in Olching geben. Ganz freiwillig stellt die Stadt die Karten aber nicht zur Verfügung. Denn nachdem Grünen-Stadtrat Manfred Fratton im März freiwillig aus dem Olchinger Gremium ausschied, hinterließ er der Stadt ein besonderes Abschiedsgeschenk: eine Geldspende, mit der ausschließlich zwei übertragbare "Isarcards 9 Uhr" für bedürftige Olchinger angeschafft werden dürfen. Nutzen konnte die Karten bisher allerdings noch niemand, denn seit Monaten versuchen Verwaltungsmitarbeiter zu klären, wer sich künftig um die Vergabe der Fahrkarten kümmern soll - eine Verzögerungstaktik, vermutet Fratton.

Immerhin hatte sich der Olchinger Stadtrat bereits 2016 deutlich gegen die Einführung städtischer Sozialtickets ausgesprochen. Einerseits war sich die Mehrheit des Gremiums einig, dass es nicht Aufgabe der Stadt sei, derlei Leistungen bereitzustellen. Andererseits fanden einige Stadträte, die Einführung eines solchen Tickets könne Andere benachteiligen. So argumentiert auch Bürgermeister Andreas Magg (SPD) auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung. "Im Rahmen der Sozialleistungen zahlt der Staat bereits anteilig Beförderungskosten", meint Magg. Zudem gebe es viele Familien, aber auch ältere Menschen, die mit einem geringen Einkommen oder wenig Rente auskommen müssen und keine Sozialleistungen beziehen können. Gerde sie würden durch das Bereitstellen eines städtischen Sozialtickets gegenüber Sozialhilfeempfängern benachteiligt. "Man muss aufpassen, dass diese Personengruppe nicht irgendwann mehr Leistungen wahrnehmen kann, als diejenigen, die selbst für ihr Auskommen sorgen", meint Magg.

Vor diesem Hintergrund hält er die damals im Stadtrat getroffene Entscheidung nach wie vor für richtig. Allerdings hätten sich derlei Fragen nun ohnehin erledigt. Durch Frattons Spende wird die Stadt jetzt zwangsläufig ein Jahr lang zwei der Tickets bereitstellen. Frattons Vorstoß bewertet der Bürgermeister sogar als positiv: "Es ist sehr honorig", findet er. Durch die Spende habe sich eine neue Situation ergeben. Auch weil die Tickets nun nicht über die Stadt und durch Steuergelder finanziert werden müssen, entfällt für Magg eines der wichtigsten Argumente, die gegen die Bereitstellung der Tickets gesprochen hatten.

Frattons Vermutung, die Stadt würde die Anschaffung der Tickets verzögern, ist laut Magg aber falsch. Dass mittlerweile fast drei Monate vergangen sind, liege daran, dass der Stadtrat zunächst zustimmen müsse, bevor die Stadt eine Spende annehmen darf. Diese Abstimmungen finden in Olching vierteljährlich statt.

Trotzdem gibt es noch ein Problem, dass geklärt werden muss. Fratton und die Stadtverwaltung sind sich bisher nicht darüber einig geworden, wo die Tickets künftig ausgegeben werden sollen. Das Rathaus ist laut Magg dafür nicht geeignet, da es zu weit vom Bahnhof entfernt liege und an zwei Vormittagen pro Woche für den Publikumsverkehr ohnehin nicht geöffnet hat. Auch die Stadtwerke - ein Vorschlag Frattons - seien unter anderem wegen der ungünstigen Öffnungszeiten nicht geeignet. Um die Diskussion abzukürzen, hatte Fratton zuletzt vorgeschlagen, die Karten Notfalls auch in seiner bahnhofsnah gelegenen Anwaltskanzlei zu verwahren. "Ich sehe das als Notnagel", meint er aber. Es sei zwar nicht verboten, aber immerhin habe es einen faden Beigeschmack, wenn der Spender die Karten selbst verwalte.

Währen die Einführung der Tickets in Olching also reichlich für Probleme sorgt, läuft das System in Germering seit vier Jahren offenbar reibungslos. Dort hatte der Stadtrat bereits 2014 über die Einführung der Karten gesprochen. Den Anstoß dazu hatte CSU-Bürgermeister Andreas Haas geliefert, nachdem er von Bürgern auf die Idee angesprochen worden war. Das Gremium hatte dem Vorschlag damals ohne Gegenstimme zugestimmt. "Es ist sehr gut angelaufen", bestätigt der Germeringer Sozialamtsleiter Martin Rattenberger. So gut, dass sich die Stadt nach einer einjährigen Probezeit dafür entschied, von zwei auf drei Karten aufzustocken. Das Projekt soll in Germering auf unbestimmte Zeit weitergeführt werden. Die Stadt stellt dafür seit 2015 regulär Haushaltsmittel bereit. Während der Probephase wurden die Tickets über Mittel aus dem Sozialfonds finanziert. "Es ist eine freiwillige Leistung der Stadt", sagt Rattenberger. Eine Benachteiligung einkommensschwacher Menschen, die nicht sozialhilfeberechtigt sind, sieht er durch das Ticket nicht. "Irgendwo muss man die Grenzen ziehen."

In Olching soll nun so bald wie möglich eine Lösung gefunden werden, mit der alle Beteiligten zufrieden sind. Bürgermeister Andreas Magg bewertet die Hinterlegung der Karten in Frattons Kanzlei als gute Option. Er versichert aber: "Wenn er es nicht will, werden wir eine andere Lösung finden." Auf eine Verlängerung des Projekts durch städtische Mittel dürfen die Olchinger aber offensichtlich nicht spekulieren.

© SZ vom 28.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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