Olching/Germering:Barrierefreies Denken

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Kämpferin gegen Vorurteile: Hélène Sajons, gebürtige Belgierin, ist die Offenheit für Fremdes wichtig. (Foto: privat)

Hélène Sajons gibt einen Kurs in interkultureller Kompetenz

Von Ariane Lindenbach, Olching/Germering

Dass Deutsche viel Wert auf Pünktlichkeit legen und Franzosen häufig privat eine Viertelstunde zu spät kommen, ist Hélène Sajons schon vor langer Zeit aufgefallen. Auch wenn sie selbst es etwas klischeehaft nennt - richtig sei es dennoch. Die gebürtige Belgierin mit einer Ausbildung als Übersetzerin für Französisch, Englisch und Deutsch ist schon seit 1969 mit einem Deutschen verheiratet und lebt ebenso lange hier. Die zweifache Mutter und dreifache Großmutter weiß also, wovon sie spricht, wenn sie interkulturelle Kompetenz vermitteln will. So wie an diesem und am nächsten Samstag bei der Volkshochschule Germering. Dort wird Sajons () in einem Workshop für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer jeweils sieben Stunden lang "Interkulturelle Kompetenz in der Arbeit mit Menschen aus anderen Kulturen" vermitteln.

Das klingt toll. Aber was ist das eigentlich, interkulturelle Kompetenz? "Das ist die Fähigkeit, mit Unterschieden umzugehen", erläutert die 69-Jährige, die als langjährige Leiterin der Volkshochschule Olching (seit 1998) bekannt ist. Allerdings sei diese Erklärung stark vereinfacht, betont sie. Um mit solchen Unterschieden souverän umgehen zu können, ist es Sajons zufolge zunächst einmal notwendig, sich bewusst zu machen, wie sehr man durch die eigene Kultur beeinflusst wird - bereits als Babys und Kleinkind: Man wächst in einen Kulturkreis hinein, übernimmt automatisch bestimmte Verhaltensweisen und Ansichten, ohne darüber nachzudenken, ob sie sinnvoll sind oder wie sie überhaupt entstanden sind. Bei dem Workshop sollen die Teilnehmer genau diese Mechanismen erkennen und hinterfragen. "Man denkt immer, das eigene Verhalten ist das richtige", das führe unweigerlich zur Ablehnung des Andersartigen, erläutert die Olchingerin.

Sajons , die schon seit mehr als 40 Jahren als Dozentin an der Volkshochschule tätig ist, will bei ihrem zweitägigen Kurs diese Barrieren in den Köpfen der Teilnehmer niederreißen. Ziel des Workshops seien "Offenheit gegenüber anderen Lebensarten und die Bereitschaft, eine Antwort zu suchen für das andere Verhalten." Dazu müssten die Teilnehmer zunächst "erkennen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, und die sind nicht von vorneherein falsch".

Die 69-Jährige, die in ihrer Freizeit gerne liest und beim Gesangverein Harmonie singt, hat einen Master in interkultureller Kompetenz. Die zwei Jahre dauernde Ausbildung hat sie schon vor vielen Jahren beim bayerischen Volkshochschulverband absolviert. Und auf dieser Basis den zweitägigen Workshop konzipiert. Wer interessiert ist und diesmal keinen Platz mehr bekommen hat: Im Juni bietet die VHS in Germering den Workshop ein weiteres Mal an. Mit den vielen Flüchtlingen sei die Nachfrage plötzlich enorm gestiegen. Dass Sajons das Verstehen anderer Kulturen angesichts ihrer Geschichte sehr wichtig ist, liegt auf der Hand. In der VHS Olching kooperiert sie längst mit anderen europäischen Bildungsträgern.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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