Olching:Fünf Jahre Freiheitsstrafe für Messerattacke

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Gericht verurteilt 55-Jährigen, der in Olching seine Frau und die Freundin attackierte, wegen gefährlicher Körperverletzung

Von Ariane Lindenbach, Olching

"Sie sollte beeindruckt und zum Spuren gebracht werden." Der Vorsitzende Richter der 1. Strafkammer am Landgericht München II ist nach vier Verhandlungstagen davon überzeugt, dass der Angeklagte seine Ehefrau einschüchtern wollte, als er im März mit einem fast 40 Zentimeter langen Küchenmesser mitten am Tag und mitten im Zentrum von Olching auf sie und ihre Freundin losgegangen war. Die beiden Frauen waren gerade mit dem Auto angekommen, saßen noch angeschnallt drinnen, als der betrunkene 55-Jährige die Tür aufriss. Trotz der aufsehenerregend großen Tatwaffe wurden die Angegriffenen nur oberflächlich verletzt. Und das ist für das Gericht sieben Monate nach der Attacke der Hauptgrund, weshalb der Mann nicht wegen zweifachen versuchten Mordes verurteilt wird. Es spricht ihn wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen schuldig und verhängt eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren.

Es ist gegen halb drei Uhr nachmittags im März, als der im Landkreis lebende Angeklagte beim Kreisverkehr nahe dem Nöscherplatz auf seine 43 Jahre alte Frau und deren Freundin wartet. Zeugen fällt der auf einem Stein sitzende Mann auf, der ein Kappi verkehrt herum auf dem Kopf trägt; das 39 Zentimeter lange Küchenmesser mit der 25 Zentimeter langen Klinge bemerken sie nicht. Erst als der Wagen der Freundin vor einem Supermarktplatz anhält und der Angeklagte sich dem Wagen nähert, ist das Messer zu sehen.

Was genau im Einzelnen in den folgenden Minuten passiert, bis drei Passanten den Angriff stoppen, lässt sich für das Gericht nicht zweifelsfrei klären. Fakt ist, dass der Angeklagte an der offenen Beifahrertüre steht, seine noch angeschnallte Frau mit der linken Hand an den Haaren zu sich heranzieht, während er mit der rechten Hand und dem Messer darin mehr vor ihrem Kopf damit herumfuchtelt als ernsthaft auf sie einsticht.

Die Fahrerin schildert Sekunden, in denen der Angeklagte seiner Frau das Messer an den Hals hält, während sie sich abschnallt und um das Auto herumläuft, ehe der Angriff gestoppt wird. "Messerschnitte und Stiche gehen sehr schnell", sagt der Vorsitzende Richter, Thomas Bott, dazu bei der Urteilsverkündung. Hätte der Angeklagte tatsächlich vorgehabt, seine Frau zu töten, hätte er es spätestens da tun können. "Die Geschädigte war ihm hilflos, wehrlos ausgeliefert", unterstreicht er. Doch weder die Ehefrau noch deren Freundin, die vom Fahrersitz aus mit eigenen Händen versucht hatte, ihr zu helfen, werden schwer verletzt. Eine ambulante Behandlung in der Kreisklinik sowie ein paar Pflaster und wenige Stiche genügen, um die Verletzungen zu versorgen. Auch das Mordmerkmal der Heimtücke sieht das Gericht nicht erfüllt, da der Angeklagte das Messer nicht verborgen hatte. Im Gegenteil: Seine Frau hatte es offenbar noch bemerkt und ihre Freundin gewarnt: "Achtung, er hat ein Messer und ist betrunken." Der Staatsanwalt bewertet den Angriff hingegen als heimtückisch, da der 55-Jährige seiner Frau aufgelauert habe und sie nicht damit gerechnet habe. Er spricht in seinem Plädoyer von "gezielten Stichen, die alle im Kopf- und Halsbereich ausgeführt wurden". Unter Einbeziehung einer einschlägigen Vorstrafe - der Angeklagte hatte seine am Boden liegende Frau 2019 mit ihrer Krücke geschlagen und war deshalb zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden - beantragt er eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten.

Verteidiger Werner Kränzlein argumentiert unterdessen, dass ein derart großes Messer ("größer geht es nicht") eher "unpraktisch" sei, um damit im Inneren eines Wagens einen Menschen zu töten. Es sei vielmehr das richtige Werkzeug, um "Angst zu machen", aber "ungeeignet, nicht aufzufallen", widerspricht er dem Staatsanwalt und der Theorie vom versuchten Mord. Er beantragt, auf die Entschuldigungen und das Schmerzensgeld verweisend, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen eine dreijährige Freiheitsstrafe und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für Alkoholkranke.

"Dass es hier diese Entschuldigungsschreiben und vor allem diese Schlichtungsvereinbarungen gibt", habe deutlich strafmildernd gewirkt, erklärt der Vorsitzende. Der Angeklagte hatte sich im Mai bei den Frauen schriftlich entschuldigt und im September 9000 Euro Schmerzensgeld an seine Frau und 5000 Euro an deren Freundin bezahlt. Die Richter berücksichtigten in ihrem Urteil auch, dass der seit der Tat in Untersuchungshaft sitzende 55-Jährige alkoholkrank ist und zur Tatzeit etwa 2,5 Promille Alkohol im Blut hatte sowie die einschlägige Vorstrafe. Ohne Entziehungskur seien weitere Attacken gegen die Frau zu erwarten, zitiert der Vorsitzende einen Sachverständigen. Da die U-Haft angerechnet wird, ordnet das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Einrichtung an.

© SZ vom 15.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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