Olching:Erzieherinnen erhalten Drohbriefe

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Das streikende Kita-Personal ist zunehmend Anfeindungen ausgesetzt

Von Julia Bergmann, Olching

Die Gruppe derjenigen Eltern, die immer noch voll und ganz hinter den streikenden Erzieherinnen steht, scheint zu schrumpfen. Und gleichzeitig steigt die Zahl derjenigen, die mit unverhohlener Wut reagieren. Erzieherinnen aus Olching berichten von Anfeindungen, davon, wie sie mittlerweile auf der Straße nicht mehr gegrüßt und geschnitten werden - und viel schlimmer noch, von Drohbriefen, die ihre Kolleginnen in ihren privaten Briefkästen finden. "Einige Eltern haben die Privatadressen ausfindig gemacht", erklärt eine Erzieherin. Ihre Namen will keine der Mitarbeiterinnen in der Zeitung lesen. Zu groß ist die Angst, dass die Anfeindungen dann zunehmen. "Ich würde es als Mobbing bezeichnen", sagt eine ihrer Kolleginnen. Es geht so weit, dass sich manche der Erzieherinnen in ihrer Nachbarschaft nicht mehr wohlfühlen und sich nur noch ungern nach draußen wagen.

Nun wenden sich die Olchinger Erzieherinnen mit einem offenen Brief an die Presse. "Wir sind uns der Nöte der Eltern und Kinder sehr wohl bewusst. Diese dürfen allerdings nicht Anlass sein, uns persönlich anzugreifen", heißt es darin. Auch Ihnen sei daran gelegen, dass der Arbeitskampf ein schnelles Ende findet. "Wir halten es für wichtig, dass die Eltern und die Gesellschaft hinter uns stehen, damit auch in Zukunft eine vertrauensvolle und respektvolle Zusammenarbeit möglich ist", lautet der Appell an die Eltern. Um ihre Situation besser verständlich zu machen, erklären die Erzieherinnen: "Wir sind seit Jahren nicht den Anforderungen entsprechend bezahlt. Der unfreiwillige Wechsel vom Tarif des BAT zum TVÖD hat vielen von uns Gehaltseinbußen eingebracht. In der Region außerhalb Münchens bedeutet das eine Eingruppierungsstufe niedriger, obwohl die Lebenserhaltungskosten gleich hoch sind", sagen sie. Auch Arbeitsmarkt- und Ballungsraumzulage gibt es in Olching nicht. Dieser Umstand führe dazu, dass gerade in Olching viele Erzieherstellen unbesetzt bleiben. Und das wiederum habe zur Folge, dass "freigewordene Stellen, auf lange Zeit unbesetzt bleiben und diese Arbeit von uns mit aufgefangen werden muss".

Steigende Arbeitsanforderungen und immer neuen Aufgaben führten dazu, dass das Personal aufgrund der hohen Arbeitsbelastung häufig krank werde. "Auch diese Situation fangen wir auf", erklären die Erzieherinnen. "Wir sind nicht mehr bereit diese untragbaren Missstände zu akzeptieren und haben uns deshalb dem bundesweiten und unbefristeten Streik angeschlossen, damit unser Berufsstand endlich die Aufwertung erfährt, die er verdient. Wir wollen unter bestmöglichen Bedingungen für Ihre Kinder da sein und mit gut ausgebildetem Fachpersonal qualitativ hochwertig arbeiten", so die Worte der Erzieherinnen.

Auch Heinrich Birner, Verdi-Geschäftsführer für München und Region, weiß um den wachsenden Druck für betroffene Eltern und damit auch von den Nöten der Erzieherinnen. Den Ärger, den die Eltern durch persönliche Betroffenheit empfinden, kann er zu einem gewissen Teil nachvollziehen. Aber Birner sagt auch: "Die Eltern haben einen Vertrag mit der Stadt." Schaffen es die Kommunen nicht, ihr Personal angemessen zu bezahlen, liege das in deren Verantwortung. "Die einzelne Erzieherin ist hier sicher der falsche Adressat", so Birner. Zudem versichert Birner, dass das schlechte Gewissen der Erzieherinnen, das durch ihr Verantwortungsgefühl für die Kinder entstanden sei, der Grund dafür sei, dass sie jahrzehntelang überhaupt nicht auf die Straße gegangen seien.

Lediglich 2008 und 2009 gab es einzelne Halbtagesstreiks. Damals sei die wirtschaftliche Lage instabil gewesen. "Jetzt aber sind wir in einer historischen Phase, in der Kommunen endlich wieder Geld haben. Entweder die Kolleginnen setzen sich jetzt durch, oder sie haben auf die nächsten 10 bis 20 Jahre verloren", sagt er. Und auch wenn einige der Eltern nun vorrangig ihre eigene Betroffenheit sehen, liege das Ziel der Erzieherinnen letztendlich auch im Interesse der Eltern. "Man muss den Beruf finanziell so gestalten, dass man eine hohe Qualifikation des Personals erwarten kann", so Birner.

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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