Olching:Ausflug in die Stratosphäre

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Die Olchinger Physiklehrerin Dagmar Ludwig darf im März an einer Stratosphären-Mission von Nasa und DLR teilnehmen. Die Erfahrungen, die sich dabei macht, soll sich dann an ihre Schüler weitergeben - und sich für Naturwissenschaft begeistern

Von Johanna Kleinert, Olching

"Von der "Sofia" aus betrachtet, sieht die Erde nicht anders aus, wie von einem Flugzeug auch. Wesentlich höher fliegt die Sternwarte nämlich eigentlich nicht", erklärt Dagmar Ludwig, Lehrerin für Physik und Mathematik am Gymnasium Olching. Im März ist es endlich soweit. Dann darf die 50-Jährige das fliegende Teleskop besteigen, das nicht nur so hoch fliegt wie ein Linienflugzeug, sondern eigentlich auch genauso aussieht. Während sich Passagierflugzeuge auf rund zehn Kilometern Höhe fortbewegen, fliegt die "Sofia" meist auf elf Kilometern. Maximal kann sie eine Höhe von 14 Kilometern erreichen. Dann muss der Tank aber relativ leer sein.

"Sofia" steht für "Stratosphären Observatorium Für Infrarot Astronomie". Es handelt sich um ein Flugzeug des Typs Boeing 747 SP, ausgebaut und präpariert für die Erforschung von entstehenden Sternen und Schwarzen Löchern. Zum Einsatz kommt dabei ein etwa 17 Tonnen schweres Teleskop, verbaut im Heck. Sobald die gewünschte Flughöhe erreicht ist, öffnet sich die vier auf vier Meter große Luke an der Seitenwand des Flugzeugs und die Messungen können beginnen. Zweimal im Jahr dürfen jeweils vier Lehrer aus Deutschland das Projekt begleiten, Ludwig ist eine von ihnen.

Die Sternwarte 'Sofia' ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen Nasa, der US-Behörde für Raumfahrt, und des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt, kurz DLR. "Bei so einem sagenhaften Programm dabei zu sein, ist eine einmalige Chance", findet die Lehrerin. Aufmerksam geworden auf das Projekt ist die Physikerin im Zuge ihres W-Seminars "Sofia und Infrarotexperimente und Forschung im Unterricht". Während eines Workshops im Planetarium "Eso Supernova" in Garching, den die Physikerin gemeinsam mit ihren Seminarteilnehmern absolvierte, erzählte ihr der Kursleiter von seiner Reise auf der "Sofia". Ziemlich schnell war für Ludwig klar: Das will ich auch! Sie bewarb sich, wurde angenommen.

17 Tonnen wiegt das Teleskop, das im Heck der Boeing 747 untergebracht ist. (Foto: DLR)

Das Beispiel zeigt: Auch Mitarbeiter von Sternwarten, grundsätzlich jeder, der Jugendliche lehrt, darf sich auf einen der heiß begehrten Plätze bewerben. Das Verfahren ist bewusst offen gestaltet. Schließlich folgt das sogenannte "Lehrermitflugprogramms" der Prämisse der Wissensvermittlung. Ehemalige Flugteilnehmer sollen, wie Ludwig es formuliert: "die Sofia-Botschaft aussenden". Die Schüler im Umkehrschluss profitieren von den Erfahrungen ihrer Lehrer. Fernab von vorurteilsbelasteten Rechnereien will das Programm praktische Anwendungsbereiche schaffen, die einen Blick über den Tellerrand des Schulunterrichts offenbaren und so eine Begeisterung schaffen. "Viele Schüler bekommen von zu Hause mit: Physik, das kannst du nicht, das ist zu schwierig. Ich sage dann immer: Begeistere dich doch erst einmal dafür, rechnen können wir auch später", sagt Ludwig.

Infrarotastronomie - dieses sperrige Kompositum beschreibt den Aufgabenbereich, den die "Sofia" mit ihren Messungen abdeckt. "Das sichtbare Licht nimmt nur einen kleinen Teil des elektromagnetischen Spektrums ein. Es gibt noch ganz viele andere Strahlungen, Röntgen, UV oder eben Infrarot. Infrarotstrahlung ist eine Wärmestrahlung, alle Objekte senden diese aus, auch im Weltall. Teleskope machen die Ausbreitung von Teilchen dann sichtbar", erklärt sie. "Normalerweise fliegt die 'Sofia' über den Pazifik oder über die Wüste von Arizona, da ist Luftverschmutzung natürlich kein Thema", sagt Ludwig. Im dicht besiedelten Europa hingegen sieht das anders aus.

Auch aus diesem Grund wurde der erste Flug für "Sofia" 2011 über Europa zur Herausforderung. Ein logistisches Mammutprojekt war das, berichtet Ludwig. Schließlich ist der Staatenverbund dezentral organisiert, für jedes Land musste die Genehmigung, den Luftraum nutzen zu dürfen, einzeln eingeholt werden. Frankreich, England, Italien, Dänemark, die Schweiz, Großbritannien und Slowenien - zwölf Ländergrenzen passierte der Flieger während der zehnstündigen Mission. Dagmar Ludwig wird vom üblichen Flughafen, dem Nasa-Standort in Palmdale in Kalifornien, zu ihrem Flug aufbrechen.

Dagmar Ludwig gehört zu den Teilnehmern, die in einer Höhe von etwa elf Kilometern wissenschaftliche Untersuchungen machen. (Foto: privat)

"Grundsätzlich gilt, dass die Sofia viel schneller aufsteigt als ein normales Passagierflugzeug. Denn die Atmosphäre enthält Wasser, das die Infrarotstrahlung absorbiert. Je höher sie fliegt, desto mehr Wasser lässt sie hinter sich", sagt Ludwig. Und je schneller dem Flugzeug das gelingt, desto schneller kann mit den Messungen begonnen werden. Das liegt auch im ökonomischen Interesse, schließlich verfügt die "Sofia" über nur 1000 Flugstunden im Jahr, die Instandhaltungskosten sind hoch.

Wenn die Fortbildung nach ursprünglichem Plan verlaufen wäre, wäre Ludwig längst schon wieder zurück in Olching. "Am 30. November hätten wir eigentlich schon nach LA fliegen müssen, am Donnerstag davor kam aber dann die Nachricht, dass sich die Reise verschiebt, weil die Sofia Triebwerksprobleme hatte und gewartet werden musste", blickt Ludwig zurück.

Neben dem Teleskop kommt bei Ludwigs Beitrag für die Infrarotforschung im März zusätzlich ein Instrumentarium zum Einsatz, das besonders lichtschwache Bereiche und Objekte sichten kann. "Die Welt beruht auf nur wenigen Regeln. Physik, als Mutter aller Naturwissenschaften, gibt uns ein Grundverständnis darüber, wie unsere Erde funktioniert", sagt Ludwig.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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