Offene Museen:Große Freude über echte Bilder

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Seit dem Wochenende haben Haus 10 und Kunsthaus Fürstenfeldbruck wieder geöffnet. Die reale Konfrontation mit den ausgestellten Werken ist von vielen Besuchern herbeigesehnt worden

Von Sonja Pawlowa, Fürstenfeldbruck

Kein regnerisches Museumswetter, und trotzdem herrschte Andrang - wenn auch wegen Corona zahlenmäßig reduziert und mit geplantem Abstand. Die Menschen freuten sich sichtlich, endlich wieder Kultur offline genießen zu dürfen. Nachdem bereits am Samstag die Kunstwerkstatt im Haus 10 die Türen nach der langen Zwangspause aufschließen konnte, zog am Sonntag das benachbarte Kunsthaus mit einer spektakulären Guido Zingerl-Ausstellung nach.

Die Ausstellung im Haus 10 mit dem einladenden Titel: "Gemalte Wirklichkeit wirklich gemalt", zog im Laufe des Eröffnungstags bereits mehr als 70 Kunstinteressierte an. Die Freude, wieder wirklich gemalte Bilder live und in Farbe betrachten zu können, ist groß und echt. An eine Vernissage war natürlich nicht zu denken gewesen. Doch das stört Lothar Götter, dessen Gemälde zusammen mit Werken von Ludwig Arnold und Peter Vogt zu sehen sind, nicht. "Eine Party ist natürlich nicht möglich, inhaltliche Gespräche aber schon," sagt Götter.

Tatsächlich zeigen sich die anwesenden Besucher der Ausstellung an solchen Gesprächen sehr interessiert. Spürbar, dass allein schon das Haptische, die Dreidimensionalität der Bilder fesselt. Einen Schritt näher treten zu können und den Pinselstrich und die Details zu sehen, das erfüllt offenbar einen lang gehegten Wunsch der Betrachter.

Nah und fern zugleich erfassen zu können und zusätzlich auch noch ein Gefühl zu wecken - das kann Kunst. Normalerweise geht Lothar Götter raus in die Natur, in den tiefen Wald, der die Sonne jenseits der Dunkelheit nur erahnen lässt. Landschaften, Tümpel und Blumen erzählen Geschichten, sprechen alle Sinne an. Für die Impression eines gleißenden Sommerlichts verwendet er stellenweise über-satte Farben, sogar Neongrün. Ein Gemälde bildet mehr ab als eine Fotografie. Götter sagt, seine Werke sollen dem Käufer nicht langweilig werden, auch nach zehn Jahren Neues bieten. Und Käufer gibt es. Kunstkäufe haben in Corona-Zeiten nicht unbedingt abgenommen. Statt kostspieliger Reisen gönnen sich Investoren nun ein Gemälde und verschaffen sich Lichtblicke in die gemalte Wirklichkeit statt Ausblicke aus Hotelzimmern. Manchmal liegt dem Gemälde sogar ein Schnappschuss zugrunde. Götters Serie "Dumme Tiere" ist so entstanden. Im Haus 10 wird nur ein Hundebild - Corrida - ausgestellt. Schade. Die Welt aus Tiersicht ist brandaktuell und eröffnet durchaus interessante Perspektiven, im direkten wie übertragenen Sinn.

Nicht nur die Farben, die die Natur an einem überraschend heiteren Maitag bietet, wirken magisch auf Ausflügler. Ein Rad-Ausflügler hält vor dem Eingang der Kulturwerkstatt, um durch die offene Tür zu linsen. "Ich hol schnell meine Frau," ruft er. Minuten später kehrt er mit ihr zurück. Bei der Fahrradtour eine Kunstentdeckung zu machen, das ist wie das Sahnehäubchen für einen gelungenen Sonntag.

Solch ein Sahnehäubchen findet sich ebenso im Museum Fürstenfeldbruck, das seit Sonntag wieder geöffnet ist. Im angeschlossenen Kunsthaus lockt die hochaktuelle Doppelausstellung "Unsäglich und Sagenhaft" des bekannten Karikaturisten und Malers Guido Zingerl Fans und Neugierige an. Gezeigt werden zwei Zyklen: "Das Narrenschiff" und "Das Geheimnis der griechischen Eule". Eine telefonische Voranmeldung war wegen Corona notwendig. Auf diese Weise werden Besucherpulks und Warteschlangen vermieden. Zudem befindet sich die Zingerl-Ausstellung in einem vom Museum abgetrennten Raum, in dem sich zeitgleich nur zehn Personen aufhalten dürfen. Zwar hat jeder Besucher einen Slot von 60 Minuten, aber die Planung ist gar nicht so einfach.

Heidi Frei und ihre Kollegin Annette Kersting haben zwar schon Erfahrung mit der Umsetzung der Corona-Beschränkungen aus der vergangenen Öffnungsphase. Allerdings verlangt das Flexibilität und viel Zeit am Telefon. Manchmal melden sich zu viele Anrufer fürs gleiche Zeitfenster. Da ist Überzeugungsarbeit nötig, Vertröstung auf Termine jenseits des Wochenendes.

Zur Mehrarbeit durch die Besucherplanung gesellt sich die Mehrarbeit bei der Mitarbeiterplanung. Das Team muss ja auch an Feiertagen und für Wochenenden eingeteilt werden. Manchmal auch kurzfristig. Heidi Frei kann sich auf einen reibungslosen Ablauf verlassen. Das Museumsteam arbeitet Hand in Hand, auch wenn sich - wie im Falle der Zingerl-Ausstellung im Kunsthaus - die Eröffnung immer wieder verschoben hat. Davon profitieren die Ausstellungsbesucher. Thomas Barenthin, der mit Begleitung aus Eichenau gekommen ist, ist ein Fan des Museums und nutzt die lang ersehnte Möglichkeit eines Besuchs sofort. Auch die Mitglieder einer Familie freuen sich. Die Dreiergruppe durfte sogar ein bisschen früher als geplant ins Kunsthaus.

Am Nachmittag haben Besucher sogar Gelegenheit, den Altmeister Guido Zingerl in persona zu erleben. Trotz seiner 88 Jahre ist ihm seine geistige Jugend bei den Inhalten und Brisanz seiner Themen nicht abzusprechen. Die Bildsprache und Kompromisslosigkeit führt zu offenen Mündern im Saal. Hoffentlich hält die Möglichkeit zum eigenen Augenschein der Kunstsinnigen in Präsenz an Ort und Stelle sehr lange an.

© SZ vom 19.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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