Neue Frankfurter Schule:Das satirische Quartett

Lesezeit: 3 min

Eine Ausstellung im Brucker Kunsthaus widmet sich vier Zeichnern der Neuen Frankfurter Schule. Vor allem die Arbeiten von Hans Traxler und Robert Gernhard prägen das Genre in der Republik bis heute

[AUTOR_OBEN]Von Florian J. Haamann [/AUTOR_OBEN] - Es sind vier Namen, die die öffentliche Debatte in der Bundesrepublik oft geprägt haben: Robert Gernhardt, Hans Traxler, Chlodwig Poth und F.W. Bernstein. Als Satiriker haben sie in ihren Texten und Zeichnungen über Jahrzehnte alles aufgenommen, was in der Republik eben gerade so Thema war. Das Kunsthaus Fürstenfeldbruck zeigt nun eine Ausstellung mit mehr als 100 Werken der vier Mitglieder der legendären Neuen Frankfurter Schule. Anlass ist der 90. Geburtstag Traxlers, der als einziger aus der Gruppe noch lebt. Außerdem feiert im November die von Traxler mitgegründete "Titanic", ihr 40-jähriges Bestehen.

Jedem der vier Künstler ist in der vom Förderverein Kunsthaus organisierten Ausstellung ein halber Raum gewidmet, so dass sich die Besucher einen guten Überblick über ihre Themen und den ganz eigenen Stil machen können. Interessant ist dabei, das viele der Themen, die die vier seit den Sechzigerjahren angesprochen haben, heute noch aktuell sind.

So ist von Traxler ein Comic zu sehen, auf dem eine reiche Dame vor einem Matratzenladen steht. Dessen Slogan: "Sparen wie in alten Zeiten. Die Matratze. Sicher aus Tradition". Darunter der Text: Nachdem das Verstecken von Spargeldern in Luxemburg in Verruf geraten ist, kommen traditionelle Sparformen wieder zu ihrem Recht". Auch die Digitalisierung kommt bei ihm vor. Da sitzt Zenzi vor der Almhütte an einem Computer, arbeitet eine To-Do-Liste ab: Melken, Misten, Jodeln. Dazu der Text: "Die neue Software Jagerkogl for Windows wird auch auf der Firstalm gut angenommen." Traxler, dem das Kunsthaus vor zwei Jahren bereits eine eigene Soloausstellung gewidmet hat, war es auch, der Helmut Kohl zur "Birne" gemacht hat, ein Image, das den Kanzler lebenslang begleitet hat. Stilistisch sind Traxlers Bilder am französischen Comic orientiert, mit üppigen Farbflächen, die mit kräftigen Linien abgegrenzt werden.

Von F. W. Bernstein zu sehen ist unter anderem sein "Selbstporträt mit Tube". (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wesentlich reduzierter, auf Skizzen mit Bleistift oder feinem Faserstift, sind die Darstellungen von Robert Gernhardt. Erfrischend sein Zyklus "bekannte Figuren bekanntes Lesen". Etwa der Teufel, der sich in Faust II vertieft und dabei tiefes Gähnen nicht unterdrücken kann, Schopenhauers Pudel, der Hegel studiert, und dann ist da noch Günter Grass, der das liest, was er schon immer am besten konnte: die Leviten. Dass es bei allen vier nicht immer nur um den schnellen Witz ging, sondern sie sich durchaus in der Tradition der Frankfurter Schule um Adorno verstanden haben, zeigt Gernhardts Erklärung von Hegels Dialektik anhand einer Szene im "Hegelstübchen". Im ersten Bild steht ein Mann alleine und traurig an der "Theke". Das zweite Bild zeigt den einsamen Barkeeper, die "Antitheke". Erst im dritten Bild kommen sie zusammen, ihre Mienen sichtlich aufgehellt, die "Syntheke".

Es sind die drei Pole Blödelei, Politik und intellektuelle Spielereien um die sich die Werke der vier Künstler drehen. Sie waren es, die das Image der "Pardon", die in Spitzenzeiten bis zu eineinhalb Millionen Leser hatte, geprägt haben. Mit Traxler hat sich dieser Geist bis in die "Titanic" gerettet, wo heute noch in diesem Sinne gearbeitet wird. Der Leitspruch der Neuen Frankfurter Schule war: "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selbe welche." Er stammt von F.W. Bernstein. Von ihm stammen auch die wohl deutlichsten Darstellungen der Ausstellung. Ein Kirchenfenster etwa, auf das ein Maler gerade eine nackte, prallbusige Frau malt. Darunter ein Mönch mit dem Schriftzug: "Wenn Engel, dann solche!" Nicht weniger explizit sein nackter Mann, aus dessen Penis eine Sprechblase kommt: "I can get no Satisfaction".

Chlodwig Poths "Bauwagensprayn is doch Babypisse" ist Teil seiner Serie über die Vorstadt. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bleibt noch Chlodwig Poth. Der arbeitet sich am Beispiel von Frankfurt-Sossenheim an der Tristesse und Spießigkeit der deutschen Vorstädte ab, nimmt aber auch die Münchner Schicki-Micki-Gesellschaft im Schumann's und im Kontrast dazu die frühe Berliner Hipsterhaftigkeit in einer Kreuzberger Kneipe ins Visier - auch das ein zeitloses Thema.

[ZUSATZINFO]Ausstellung "Zeichner der Neuen Frankfurter Schule", Kunsthaus Fürstenfeldbruck. Eröffnung Freitag, 19. Juli, von 19.30 Uhr an in Anwesenheit von Hans Traxler. Danach zu sehen bis 22. September, jeweils mittwochs bis sonntags von 13 bis 17 Uhr[/ZUSATZINFO].

© SZ vom 18.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: