Naturschutz:Gefahr in Rosa

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Eingewanderte Pflanzenarten wie das indische Springkraut oder die kanadische Goldrute breiten sich massiv aus und bedrohen die biologische Vielfalt. Die Gewächse in den Griff zu bekommen, ist kaum mehr möglich

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

- Die Blüten sind ausgesprochen hübsch und auffällig in ihren kräftigen, aber auch zarten Rosatönen. Mit bis zu 2,50 Metern sind die Pflanzen auch groß genug und vor allem häufig genug, dass sie nicht zu übersehen sind. Doch das genau ist das Problem mit dem indischen Springkraut: Es ist so oft anzutreffen im Landkreis, dass es der übrigen Flora nicht gut tut. Das indische oder drüsische Springkraut, auch bekannt als Bauernorchidee, gehört zu jenen knapp 30 Neophyten in Deutschland, die als invasive Arten durch ihre unkontrollierte Ausbreitung zum Problem werden. Sie besiedeln in kürzester Zeit große Flächen und verdrängen einheimische und seltene Arten und gefährden damit auf Dauer die biologische Vielfalt.

Die Frage freilich ist, ob man den Zeitpunkt nicht schon verpasst hat, um das Wachstum der invasiven Pflanzen nachhaltig einzudämmen. Denn ihre massenhafte Ausbreitung findet schon seit mehr als zwanzig Jahren statt. "In den Achtzigerjahren gab es null Vorkommen, jetzt ist das indische Springkraut überall", erinnert sich Gerald Fuchs von der Fürstenfeldbrucker Kreisgruppe des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). Das Landratsamt im Nachbarlandkreis Starnberg sagt den Neophyten seit einigen Jahren gezielt den Kampf an. 2012 hatte die Untere Naturschutzbehörde dort ein Aktionsjahr zur Neophytenbekämpfung ausgerufen, Ende August dieses Jahres rief sie erneut dazu auf, das Springkraut aktiv auszureißen. Die Erkenntnis der Starnberger: "Wo bekämpft wird, lässt es sich gut eindämmen. Wenn nichts gemacht wird, breitet es sich munter weiter aus."

Das indische Springkraut breitet sich großflächig aus, hier in einem Waldstück bei Grafrath. (Foto: oh)

Die Behörden im Brucker Land gehen weniger offensiv an die Sache heran. Es gebe keine Rechtsgrundlage, eine Bekämpfung zu fordern, sagt Michaela Schleicher, Kreisfachberaterin für Gartenkultur und Landespflege im Landratsamt Fürstenfeldbruck. Das Ausbreiten dieser Pflanzen zu verhindern, sei schwierig, weil man jeden Privateigentümer auffordern müsste, Maßnahmen zu ergreifen. Das sei praktisch nicht möglich. Eine systematische Erfassung der Vorkommen von Neophyten im Landkreis gibt es mit Ausnahme der heuschnupfenartige Symptome und Asthma auslösenden Beifuß-Ambrosie nicht. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens im Auftrag des Bayerischen Gesundheitsministeriums wird ihr Auftreten dokumentiert. Vor zehn Jahren wurde sie erstmals im Landkreis entdeckt, sie verbreitet sich auch über kontaminiertes Vogelfutter. Im Vorjahr wurden zwei große Ambrosia-Bestände mit mehreren hundert Pflanzen bei Geiselbullach entfernt.

Auch im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Fürstenfeldbruck nennt Stefan Greißl, der gerade Amtsleiter Hans-Jürgen Gulder vertritt, den Kampf gegen die invasiven Arten "nicht Erfolg versprechend". Deswegen würden auch keine speziellen Maßnahmen durchgeführt. Sobald sich junge Waldbäume am Boden wieder durchsetzten, würden sie dazu beitragen, dass Arten wie das Springkraut "ausgedunkelt" würden.

Die Naturschutzverbände bemühen sich indes, zumindest auf ihren eigenen Flächen den Neophyten Einhalt zu gebieten. Vor allem Springkraut und Goldrute breiten sich auf Streuwiesen und Niedermoorrelikten aus, sagt Sebastian Böhm, Gebietsbetreuer Ampertal im Landschaftspflegeverband Fürstenfeldbruck/Dachau. Deshalb würde versucht, sie zumindest auf ausgewählten, naturschutzfachlich wertvollen Flächen zu bekämpfen. Im Zellhofer Moos zwischen Kloster Fürstenfeld und Schöngeising sei man vor allem der Goldrute zu Leibe gerückt. Es wäre wünschenswert, wenn sich mehr Vereine und auch Privatpersonen engagierten, findet Böhm, doch auch er weiß: "Es gibt keine wirkliche Lösung für das Problem." Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt ist der Ansicht, dass "eine vollständige Verdrängung gar nicht mehr möglich ist".

Auch der LBV versucht, seine Flächen etwa im Fußbergmoos bei Maisach vom übermäßigen Bewuchs durch das indische Springkraut zu befreien. Zahlreiche Ehrenamtliche hätten in diesem Jahr dort "massiv in mehreren Durchgängen" gearbeitet, sagt Gerald Fuchs. Die Aktionen möchte man jedes Jahr wiederholen. "Wir gehen davon aus, dass es dann jedes Jahr weniger wird", sagt Fuchs. Erst würden dabei die Blüten entfernt, in einem Sack gesammelt und zur Kompostieranlage gebracht. Dann würde das restliche Kraut herausgerissen und geknickt, um den Saftstrom zu unterbrechen. Danach trockne es ab.

Andere weisen darauf hin, dass Pflanzen wie das indische Springkraut oder die Goldrute im Sommer, wenn es kaum mehr Blühpflanzen gebe, wichtige Nektarlieferanten für die Bienen seien. Doch "was haben die Bienen früher gemacht?", fragt LBV-Fachmann Fuchs und gibt die Antwort gleich selbst: Damals sei eine Vielfalt auf Wiesen normal gewesen - mit herbstblühenden Pflanzen, die auch den Bienen Nahrung geliefert hätten.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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