Nachfrage steigt:Corona-Tests für alle

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In den Hausarztpraxen steigt bereits die Nachfrage nach Rachenabstrichen. Dabei sind noch gar nicht alle Reisenden zurück. Die Ärzte klagen über zu viel Bürokratie und allzu enge Zeitpläne

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Auf das Coronavirus wird längst nicht mehr nur bei Krankheitsanzeichen getestet: Seit Anfang Juli kann sich in Bayern jeder auch ohne Symptome einem freiwilligen Coronatest unterziehen. Für Reiserückkehrer aus Risikogebieten besteht sogar eine Testpflicht. Das bedeutet, dass in den Hausarztpraxen im Landkreis nun deutlich mehr Tests vorgenommen werden - mit weiter steigender Tendenz, wie die Ärzte vermuten, wenn erst einmal alle Reisenden heimgekehrt sind und im Herbst die Grippesaison beginnt.

Während der Hochphase der Pandemie im Frühjahr waren eigens zwei sogenannte Drive-through-Stationen in Germering und Fürstenfeldbruck eingerichtet worden, in denen man bei Verdacht auf eine Infektion getestet wurde, ohne dafür sein Auto verlassen zu müssen. Mittlerweile sind sie geschlossen. "Schade, dass man das wieder alles abgebaut hat", befand Landrat Thomas Karmasin (CSU) jüngst in der Kreistagssitzung. Er hätte wenigstens eine davon "gerne vorgehalten". Die Kassenärztliche Vereinigung aber habe die Ärzte abgezogen. Die niedergelassenen Ärzte, so Karmasin, hätten die Einrichtung indes gerne behalten.

Das sieht auch Klaus Jürgen Kreie so, der in Olching eine Familienpraxis führt. Die mobilen Teststationen hätten dazu beigetragen, "Spitzen wegzunehmen". Man hätte sie nicht wieder abschaffen sollen. "Das belastet jetzt die Arztpraxen", weiß Kreie. Zusätzlich zur normalen Patientenversorgung müssten die Hausärzte mit den vielen Corona-Abstrichen eine "zweite Versorgungsebene" übernehmen. Kreie selbst verfügt in seiner Praxis über zwei Eingänge und kann so für jeden Bereich einen eigenen Eingang benutzen.

Die Allgemeinmedizinerin Birgit Bragge bietet in Fürstenfeldbruck separate Infektionssprechstunden an. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Birgit Bragge, Ärztin für Allgemeinmedizin, Akupunktur und Chirotherapie in Fürstenfeldbruck, hat neben ihrer "Akutsprechstunde" eine "Infektsprechstunde" eingerichtet, in der es "keinen Publikumsverkehr gibt", wie sie sagt. In der Infektsprechstunde werden die Patienten einzeln in die Praxisräume eingelassen, um den Abstrich aus Mund-, Nasen- oder Rachenraum vorzunehmen. Mit Mundschutz und Händedesinfektion auf Seiten des Patienten, mit Schutzausrüstung auf Seiten der Praxismitarbeiter, erzählt sie. Etwa eine Stunde am Vormittag und eine halbe am Nachmittag plant Bragge dafür ein. Sie habe bereits die Lockdown-Phase, in der deutlich weniger Patienten gekommen waren, für eine Umorganisation der Praxis genutzt.

30 Coronatests pro Woche kämen so zusammen, sagt Bragge. Montags seien es mit etwa zehn die meisten. Sie rechnet mit steigender Nachfrage gegen Ende der Ferien, weil sich dann wohl weitere Reiserückkehrer testen lassen wollen. Unter den Reiserückkehrern seien nicht nur solche aus Risikogebieten wie Ägypten oder der Türkei, sondern auch solche, "die das zur Sicherheit wissen wollen". In Bayern dürfen sich alle auf Wunsch testen lassen - auch ohne Krankheitsanzeichen. Den "Söder-Test", sagt Kreie, finde er gut: "Das schafft Sicherheit, wenn man etwa vorhat, vulnerable Personen zu besuchen."

Von etwa 200 Coronatests in den vergangenen Wochen berichtet der Eichenauer Allgemeinmediziner Alexander Wiedemann, darunter sei seit Monaten kein einziger positiver Fall gewesen: "Die eigentlichen Verdachtsfälle halten sich in ganz engen Grenzen." Am ehesten Symptome zeigten fiebernde Bewohner in Altenheimen. Wiedemann hat seine Praxis im ersten Stock. Wer sich auf Corona testen lassen möchte, den bittet er in den großen Vorraum vor der Praxis. Die Zahl derer, die ohne Symptome zum Abstrich kommen, ist auch bei ihm deutlich angestiegen. "Die Verunsicherung ist immer noch groß", ist Wiedemanns Erfahrung.

Viele Ergebnisse der Abstriche sind weiter positiv (Foto: Carmen Voxbrunner)

Viel Bürokratie und administrative Zusatzarbeit" nehmen Wiedemann und Kollegen wie Lutz Tiedtke wahr. Tiedtke führt in Germering zusammen mit Katja Ruppert eine Praxis für Allgemeinmedizin und nimmt pro Woche um die 50 Coronaabstriche ab. Er kritisiert die von der Politik gewünschte spontane Umsetzung von einem auf den nächsten Tag. Seit vergangenem Wochenende gilt eine Testpflicht für Reiserückkehrer aus etwa 130 Staaten, die als Risikogebiete eingestuft werden. Am Samstag sei man informiert worden, und schon am Montag sollte man die ersten Abstriche nehmen, erinnert sich der Mediziner. Er spricht auch das Problem an, dass nicht alles über EDV abgewickelt werden könne, sondern "altmodisch mit Zettelkram" gearbeitet werden müsse. Die Ärzte beschreiben unabhängig voneinander, wie umständlich es ist, dass für jede Testvariante ein anderes Formular auszufüllen sei, je nachdem ob es sich um Patienten mit Symptomen handelt, um Urlaubsheimkehrer, um Wunschabstriche, um Personen mit Warn-App oder um Personen, bei denen eine Operation bevorsteht. Tiedtke weist auch darauf hin, dass die Probleme bei der Versorgung der Praxen mit Schutzausrüstung noch nicht behoben seien: "Da sind wir wenig bedacht worden, und jetzt kommt gar nichts mehr." Und falls die Tests zahlenmäßig ausgeweitet würden, würde dies auch die Kapazitäten der Labore belasten.

Schon jetzt beobachtet sein Eichenauer Kollege Wiedemann, dass die Testergebnisse nicht mehr so zuverlässig noch am selben Tag eingingen wie bisher. Der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM) sprach sich deshalb jetzt auch angesichts begrenzter Kapazitäten für gezieltes statt anlassloses Testen aus, damit am Ende nicht Ressourcen an anderer Stelle fehlen.

Derweil kündigte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) während der Woche an, die Tests in Bayern noch einmal massiv auszuweiten und in jedem Landkreis ein Corona-Testzentrum zu errichten. Details dazu sind im Fürstenfeldbrucker Landratsamt noch nicht bekannt. Die Hausärzte machen indessen darauf aufmerksam, dass Coronatests lediglich mit 15 Euro vergütet werden. "Das ist sehr bescheiden," sagt Alexander Wiedemann. Tiedtke kommt zu dem Schluss, dass 50 Euro, wie der Bayerische Hausärzteverband errechnet hat, angemessen wären. Der Verband hatte gefordert, dass sich die Mehrkosten in einem deutlichen Honorarzuschlag widerspiegeln müssten.

© SZ vom 14.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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