Musik:Wenn Mantua auf Dachau trifft

Lesezeit: 2 min

Die erste Aufführung einer "Oper auf Bayrisch" überzeugt auch Kulturkenner in der Stadthalle

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Es ist erstaunlich, wie gut sich das politisch so gar nicht mehr korrekte "Lustig ist das Zigeunerleben" mit Escamillos "Auf in den Kampf" verträgt. Unter Beweis stellt das "Carmen" oder "Wia d'Liab an Sepp zum Mörder g'macht hat". Es ist die erste "Oper auf Bayrisch" des Autors Paul Schallweg, die am Freitagabend in der gut gefüllten Germeringer Stadthalle vom bühnenerfahrenen Dreiergespann Michael Lerchenberg, Conny Glogger und Gerd Anthoff vorgestellt wird. Wann immer die Opernklänge in Volksmelodien übergehen, hört man das opernerfahrene Publikum überrascht auflachen. Das Orchester schafft es, präzise und schwungvoll die der Oper eigene Dramatik auf ein bayerisches Gradaus herunterzubrechen.

Niemand muss sich verpflichtet fühlen, die Leidenschaft nachzuempfinden, wenn es da heißt: "Der Ei sticht auf den andern ei - so bleed kann bloß a Mannsbuid sei". Andererseits ist die dabei beschriebene tragische Eifersucht für den ein oder anderen vielleicht leichter nachvollziehbar, wenn der Don José der Originaloper plötzlich zum bayerischen Sepp wird. Das erschütternde Ende löst sich dank eines Marterlspruchs in Schmunzeln auf: "Und damit ist die G'schicht scho gar - is' schad', dass gar so traurig war." Auch im "Rigoletto" - oder bayrisch "Der Graf von Dachau" wird die Musik von Verdi kongenial ins Bayrische überführt. So wird leicht nachvollziehbar, dass die berühmte Arie des als Schürzenjäger dargestellten Herzogs, "La donna è mobile" ("Oh, wie so trügerisch sind Weiberherzen") schon zu Lebzeiten des großen Komponisten ein Gassenhauer war. Und Figur der Gilda wird mühelos zum "Lieserl" in ihrer Liebesarie "Teurer Name, dessen Klang tief mir in die Seele drang ". Alles wird umrahmt von Kuckuckspfeifferlrufen des Schlagzeugers, die beim Publikum für große Heiterkeit sorgen.

Zum Ensemble gehören Werner Hofmeister und das "Musikensemble Opern auf Bayrisch" unter der Leitung seines Dirigenten Andreas Kowalewitz. (Foto: Günther Reger)

Ob nun aber der Schauplatz in Mantua oder Dachau liegt, Hofnarren haben nicht viel zu sagen. So muss Rigoletto wegsehen, wenn der Herzog von Mantua (der Graf von Dachau) Frauen, darunter auch seine Tochter missbraucht. Und er muss mitmachen beim Raub seiner eigenen Tochter. Doch wer mit den Wölfen heult, geht ein Risiko ein. Das muss auch der "bucklert Narr" Rigoletto erfahren: Er verhöhnt den "Bauern aus Feldmoching" (alias Graf Monterone), der wiederum verflucht ihn. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf und die Oper endet mit dem toten Lieserl.

Die Verdi-Gewitterstimmung mit bedrohlichem Sturmsummen und Theaterdonner, die dem Finale vorausgeht, bleibt auch auf Bayrisch gänsehautverdächtig. Doch selbst das melodienkundige Publikum tut sich schwer, alle Zitate sofort richtig zu verorten: Ob da nun "O sole mio" oder "So ein Tag, so wunderschön wie heute" anklang, oder gar beides, darüber wird in der Pause diskutiert. Das Ergebnis ist noch offen, als bereits der "Bader von Ruahpolding" (respektive "Der Barbier von Sevilla") beginnt und jemand wieder zu rätseln beginnt, ob man in der Musik von Friedrich Meyer da grad' zwischen Rossini ein paar Takte von "Kommt ein Vogel geflogen" oder "Ich steh' auf der Brücke und spuck' in den Kahn" vernommen hat.

Die Besetzung des Ensembles „Opern auf Bayrisch“ besteht aus den drei Schauspielern Gerd Anthoff (links), Conny Glogger und Michael Lerchenberg (rechts). (Foto: Günther Reger)

Michael Lerchenbergs - immer gleiche Kasperlstimme - ist nicht immer tauglich. Ein wenig mehr Figurendifferenziertheit täte bei den verdienten Schauspielern gut, auch wenn Lerchenbergs Kasperlfalsett auf Doktor Wadlgriaß alias Doktor Bartolo nun wirklich formidabel passt. Auch gereimt wird grandios auf Bayrisch: "Erkennst mi net, wenn i dir sog: I bin der von heit vormittog." Szenenbeifall gibt es für die diversen Heul- und Schluchz-Passagen Conny Gloggers. Aber: Wenn man ihr schon mehrfach ein Schnupftücherl reicht, wäre ein besticktes Leinentüchlein als Requisit doch angemessener als ein schnödes Tempo. Das bravouröse Elf-Mann-Orchester verabschiedet sich singend mit "Eviva Ruahpolding". Ein überaus vergnüglicher Abend, der Opernskeptikern einen offeneren Blick ermöglicht und Opernfans einen erweiterten Horizont.

© SZ vom 08.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: