Musik:"Die Stimme des Himmels"

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Michael Hartmann ist Orgelsachverständiger. (Foto: Privat)

Die Orgeln im Landkreis stehen in einer Jahrhunderte alten süddeutschen Tradition. Kaum einer kennt sich mit ihnen so gut aus wie Michael Hartmann von der Erzdiözese

Interview von Florian J. Haamann

In der österlichen Kirchenmusik spielt die Orgel eine wichtige Rolle. Über die Jahrhunderte hat sich in der Region eine bestimmte Instrumententradition entwickelt, die den Klang in den Kirchen bis heute prägt. Als Orgelsachverständiger der Erzdiözese München und Freising kennt Michael Hartmann die Instrumente im Landkreis wie kaum ein anderer.

Herr Hartmann, unterscheidet sich die Orgellandschaft im Landkreis von andere in der Region?

Michael Hartmann: Grundsätzlich nicht. Wir sind in einer Region beheimatet, die über Jahrhunderte von einer Tradition geprägt wurde, die sich von Salzburg bis nach München erstreckt. Bestimmte Orgelbauer die in diesem Bereich tätig waren, haben diesen Stil beeinflusst. Prägend waren auch die überdurchschnittlich vielen Klostergründungen. Einige interessante Instrumente aus dieser Zeit wurden über die Säkularisation gerettet und wiederbelebt. Im Landkreis ist da natürlich die Fux-Orgel in der Klosterkirche aus den Dreißigerjahren des 18. Jahrhunderts zu nennen. Das ist ein Vorzeigeinstrument über die Region hinaus, auch weil sie noch weitgehend im Originalzustand erhalten ist.

Was macht diese musikalische Tradition aus?

Vor allem, dass sie von der italienischen Musikkultur geprägt worden ist. In der katholischen Kirche war die Orgel über lange Zeit ein Begleitinstrument. Das heißt, die Instrumente waren so gemacht, dass sie liturgische Handlungen wie den Einzug zum Altar begleitet haben, also eher kleine Bereiche. Die Orgeln haben oft einen schönen Prospekt, also das Erscheinungsbild, aber eine vergleichsweise kleine Klangfarbe.

Ist diese Ausrichtung als Begleitung liturgischer Handlungen heute ein Nachteil?

In gewisser Weise schon, aber ich würde es eher als Vorteil sehen. Dadurch ist ein ganz spezifischer Klang entstanden, mit warmen Flöten- und Streichertönen und einer mystisch-ätherischen Anmutung. Eine Besonderheit ist die sogenannte Vox coelestis, die Stimme des Himmels, die durch zwei Pfeifen gleicher Bauart erzielt wird, die bewusst etwas verstimmt sind und mit der gleichen Taste zum Erklingen gebracht werden. Durch die Frequenzen entsteht ein ganz schwebender Ton, der so ganz typisch für die süddeutsche Tradition ist.

Und wo konkret liegt der Nachteil?

Dadurch, dass die Instrumente weniger Umfang haben, sind viele Werke aus dem 19. Jahrhundert auf ihnen nicht spielbar. Dafür gibt es zahlreiche Werke, die nur für diese Instrumententradition geschrieben wurden sind und die eine fantastische Qualität haben. Außerdem kann man auf ihnen ganz anders improvisieren. Wenn man weniger Register zur Verfügung hat, muss man damit viel kreativer umgehen.

Welche Instrumente im Landkreis stehen den beispielhaft für diese Tradition?

Der Landkreis ist mit Orgeln aus dieser Zeit gut bedacht. Als herausragendes Beispiel würde ich die Pfarrei Johann Baptist in Schöngeising nennen. Die Orgel dort wurde 1867 von Georg Beer gebaut und hat nur acht Register, ist klanglich aber fantastisch. Deswegen hat es sich gelohnt, dass wir sie vor wenigen Jahren grundlegend restauriert haben.

Gibt es weitere Orgeln im Landkreis, die wegen ihrer Bauart etwas besonderes sind?

Ein interessantes neueres Instrument steht in Sankt Cäcilia in Germering. Das wurde vor etwa 20 Jahren von Georg Jann gebaut, der auch für die Domorgel in München verantwortlich ist. Das Instrument in Germering ist so etwas wie der kleine Zwilling. Modern, aber trotzdem kann man die Werke aus dem 19. und 20. Jahrhundert darauf spielen.

Als Orgelsachverständiger für das Dekanat Fürstenfeldbruck unterstützen Sie die Gemeinden auch beim Bau neuer Orgeln. Worauf achtet man da?

Das ist sehr unterschiedlich und hängt von der Historie des Raumes ab. In neuen Kirchen ist man da freier. In einem modernen Bau wäre es geradezu absurd, eine Orgel im barocken Stil zu bauen. Man muss vorher überlegen, welches musikalische Ideal angestrebt wird, zusammen mit dem Pfarrer und dem Kirchenmusiker. Es gibt Kirchen, in denen wird viel Traditionelles gesungen, da braucht man dann vielleicht andere Register als in einer Kirche in der Gospel oder Instrumentalmusik im Vordergrund stehen. Das ist also alles sehr individuell.

Sie sind auch dabei, wenn eine Orgel im Landkreis restauriert oder gereinigt wird. Wie läuft das ab?

Durch die steigende Umweltverschmutzung wird dieses Thema immer wichtiger, weil immer mehr Staub und Feuchtigkeit in die Instrumente getragen wird. Das zersetzt dann alles, was nicht aus Holz und Metall ist, den Stoff, die Lederteile. Außerdem siedeln sich Kleintiere und Ungeziefer an, um die man sich kümmern muss. Sonst wird der Klang immer schlechter. Schon kleine Staubreste an den Stellen, an denen die Luft brechen soll, können dafür sorgen, dass der Ton nicht mehr stabil ist. So eine Generalreinigung ist etwa alle 20 Jahre notwendig. Bei den jüngeren elektrischen Geräten kann es sogar nach 50 Jahren schon soweit sein, dass das Instrument "aufgebraucht" ist. Da muss man sich dann fragen, ob es noch sinnvoll ist, die gesamte Elektrik für viel Geld zu erneuern oder gleich ein neues Instrument angeschafft werden muss.

© SZ vom 20.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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