Musik:Ausdrucksstarke Sonaten

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Midori und Jean-Yves Thibaudet gelingt es, das Publikum zu fesseln

Von Klaus Mohr, Germering

Zur Eröffnung der neuen Saison der Klassik-Reihe Germering kamen zwei große Namen der Klassik-Szene in den Orlandosaal: Die japanische Geigerin Midori, die bereits 2016 hier gastiert hatte, sowie der französische Pianist Jean-Yves Thibaudet. Sie erwiesen sich an diesem Abend auch als ausdrucksstarke Künstlerpersönlichkeiten.

Vom Programm her handelte es sich um einen reinen Sonatenabend: Alle vier Komponisten, Robert Schumann, Gabriel Fauré, Claude Debussy und George Enescu, widmeten sich dieser zentralen Gattung der Kammermusik und erfüllten sie individuell mit Leben. In chronologischer Reihenfolge ergab sich daraus aber kein musikhistorischer Streifzug mit typischen Werken der jeweilige Zeit. Vielmehr hatten die Komponisten jeweils Unikate geschaffen, in denen sie den formal-ästhetischen Ansatz der Sonate mit ihrem jeweiligen Ausdruckswillen zur Deckung brachten.

Zu Beginn erklang Robert Schumanns (1810 bis 1856) Sonate für Klavier und Violine in a-Moll op. 105. Im Kopfsatz, "mit leidenschaftlichem Ausdruck" überschrieben, war es wunderbar zu beobachten, wie minutiös die beiden Musiker aufeinander reagierten. In kleinräumiger Binnendifferenzierung modifizierten sie den Spannungsverlauf und verwiesen damit überzeugend auf den emotionalen Gehalt des Werks. Die Gleichberechtigung der beiden Instrumente war in allen vier Sonaten ein zentrales Anliegen der Komponisten. Dennoch hatte der Pianist immer wieder die Oberhand und war im Ergebnis oft tendenziell zu laut. Dabei kamen zwei Aspekte zusammen: Das Timbre des Geigentons gelangte eher dunkel an das Ohr des Hörers. Der Pianist favorisierte hingegen einen sehr aktiven, transparenten und obertonreichen Klang, der für sich genommen sehr beeindruckend war.

Die natürliche Charakteristik des Klaviertons erhielt so eine Art Zuspitzung, die etwas im Gegensatz auch zum Spiel von Midori stand, das stets auf Linie und Bögen ausgerichtet war. Das scheinbare Lautstärkeproblem war damit genau genommen auch ein interpretatorisches. Bei aller Abstimmung im Detail konnte angesichts zweier so starker Persönlichkeiten nur phasenweise ein ideales Duospiel entstehen.

Bei der Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 in A-Dur op. 13 von Gabriel Fauré (1845 bis 1924) kam dem Klavier eine zusätzliche Bedeutung zu, weil sich die oft komplexen harmonischen Fortschreitungen nur aus dessen Part erschlossen. Jean-Yves Thibaudet moderierte diesen Verlauf im einleitenden Allegro molto sehr geschickt, erzeugte wohlig-warme Akkorde mit großer Leuchtintensität und ging souverän mit der erforderlichen Virtuosität um. Dadurch bildete sich eine Basis für das Zusammenspiel mit der Geigerin, die auch im leicht nebligen Klang des Andante oder in den fliegenden Tönen des Scherzo tragend blieb. Das pointiert-nuancierte Spiel des Pianisten kam der Sonate für Violine und Klavier in g-Moll von Claude Debussy (1862 bis 1918) nach der Pause sehr zugute. Die daraus entstehende Farbpalette ergänzte die Geigerin durch ein Spiel mit ganz samtigem Ton und großer Klangtiefe. Die abschließende Sonate Nr. 3 für Violine und Klavier in a-Moll op. 25 von George Enescu (1881 bis 1955) trägt den Untertitel "im rumänischen Volkscharakter". Klanglich fordert Enescu Ausführenden wie Zuhörern einiges ab, manche Passage bleibt widerständig und fremd.

Die Künstler begaben sich so eindrucksvoll in diese Klangwelten hinein, dass das Publikum ganz gefesselt war und sich erst durch den fulminanten Schluss aus der Erstarrung löste. Am Ende gab es großen Beifall und eine gut gewählte Zugabe, bei der die bezaubernden Kantilenen der Geigerin von den Akkorden im Klavier harmonisch gut gestützt wurden.

© SZ vom 16.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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