Landwirte in Bedrängnis:Einbruch der Erzeugerpreise

Lesezeit: 4 min

Der Drexlerhof ist der letzte von einst sieben Milchviehbetrieben im Moorenweiser Weiler Brandenberg. Die Eltern werden von ihren erwachsenen Kindern unterstützt. Bleibt der Milchpreis weiter so niedrig, dann könnte aber auch dieser Familienbetrieb vor dem Aus stehen

Von Stefan Salger, Moorenweis

Fuhr man vor ein paar Jahren durch die Wiesen, die Felder und die Wälder nach Brandenberg, nahm man den beschaulichen Weiler in der Gemeinde Moorenweis als Kuhdorf wahr. Und das im besten Sinne: In Brandenberg gab es sieben Milchviehbetriebe und die Tiere waren nicht zu übersehen. Michael Drexler steht in Arbeitskluft vor seinem Hof und blickt in einer Mischung aus Ratlosigkeit und Trotz auf die Nachbarhäuser. Dort gibt es längst keine Kühe mehr. Vor zwei Jahren hat hier der vorletzte Milchviehbetrieb dichtgemacht. Geblieben sind nur noch die Drexlers. Wenn es so weitergeht mit dem Milchpreis, dann ist aber auch der 52-Jährige mit den strahlend blauen Augen am Ende mit seinem Latein.

Nadja Drexler arbeitet mit auf dem elterlichen Hof mit. Ihr zweijährige Sohn will überall dabei sein, so auch beim Füttern und Tränken der Kälber. (Foto: Günther Reger)

Noch freilich gibt sich Drexler kämpferisch. Er ist Mitglied des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), der im Gegensatz zum Bayerischen Bauernverband auf Kriegsfuß steht mit der EU-Agrarpolitik und auf umfangreiche Reformen drängt. Vor allem entzweit die beiden Verbände die Einschätzung der Milchquote. Hier der BBV, dem zwei von drei Milchbetrieben im Landkreis angehören, der eher auf die Marktkräfte aus Angebot und Nachfrage setzt und auf die Erschließung neuer Absatzmärkte auch jenseits der EU-Grenzen. Dort der kleinere BDM, der sich vergeblich gegen die im vergangenen April erfolgte Abschaffung der Quote gestemmt hatte. BDM-Kreisvorsitzender Johann Schamberger ist heute noch stocksauer. "Wir haben doch immer gesagt, dass wir nach der Abschaffung der Quote in der Milch ersaufen werden. Aber das wollte ja niemand wahrhaben, auch nicht der BBV und die Herren Agrarminister Brunner und Schmidt. Und jetzt haben wir die Bescherung und bei den Bauern geht's ums Überleben." Das sind keine leeren Worte. Kein Milchbauer kann mit weniger als 20 Cent pro Liter seine Kosten erwirtschaften. Keiner. Nur eine Frage der Zeit, dass sich das Höfesterben beschleunigt. Im Jahr 2000 gab es im Landkreis einer Erhebung des Amts für Landwirtschaft zufolge etwa 238 Milch produzierende Betriebe. Die Zahl schrumpfte ohnehin bereits auf heute 130, während die durchschnittliche Zahl der Tiere pro Betrieb von 25 auf 32 stieg. Die Logik dahinter: Nur wer wächst, überlebt. Wenn überhaupt. So ist das auch im Ackerbau, in dem es weitere etwa 500 Höfe gibt. Dem statistischen Landesamt zufolge wuchs die Zahl der mindestens 50 Hektar großen Höfe von 138 (1999) auf 154 (2010), während die Zahl der 20 bis 50 Hektar großen Betriebe im gleichen Zeitraum von 282 auf 197 sank. 2013 und 2014 waren für die meisten Betriebe überdurchschnittlich gute Wirtschaftsjahre, sagt Hans-Jürgen Gulder, Chef des Landwirtschaftsamts. Dafür treffe es nun die Bereiche Milch, aber auch Schweinemast und Getreide umso härter.

SZ-Grafik: LB; Quelle: Amt für Landwirtschaft und Forsten (Foto: Günther Reger)

Zwar gilt im BDM nun die Sprachregelung, dass man den Begriff "Quote" lieber gar nicht mehr in den Mund nehmen sollte, weil "der Kas' biss'n is", wie man das in Bayern sagt, wenn etwas entschieden ist. Stattdessen fordert der BDM nun eine EU-weite Mengensteuerung. Schamberger lässt durchblicken, dass für ihn die klassische Milchquote sehr wohl ein Weg aus der Krise wäre. Aber nun gut, Hauptsache, die Milchbauern produzieren insgesamt weniger, damit sich der Milchpreis erholen kann "und der Weltmarkt nicht mit überschüssiger Milch kaputt gemacht wird". Neben einem staatlichen Eingriff gibt es nach Schambergers Überzeugung eine zweite realistische Lösungsmöglichkeit: Landwirte und Molkereien müssen sich flächendeckend vertraglich auf Mengen und Preise festlegen.

Michael Drexler auf einem seiner Traktoren (im Hintergrund: Maschinenhalle und Jungkuh-Stall). (Foto: Günther Reger)

Bislang ist das anders. Michael Drexler steht im Stall und erklärt die Sache. Die Türen stehen offen, alle 45 Kühe hier kennt er beim Namen. Mit den Molkereien läuft es seit Abschaffung der Quote so: Die Bauern binden sich vertraglich an eine einzige Molkerei und sichern dieser die gesamte Milchmenge zu . Alle zwei Tage kommt der Milchwagen von Ehrmann und holt 1600 bis 1800 Liter ab. Am Zehnten des Folgemonats erfährt der Landwirt dann aber erst, welchen Preis er dafür bekommt.

Der Hof ist ein reiner Familienbetrieb, unterstützt wird Michael Drexler von seiner Frau Hilde, 55, sowie von Tochter Nada, 29, und Sohn Michael, 26. Beide haben Jobs jenseits der Landwirtschaft, in der IT-Branche sowie als Industriemechaniker. Beide arbeiten quasi ehrenamtlich. Nur so kommen sie zurzeit über die Runden, Lohnkosten wären definitiv nicht drin. Im Stall auf der anderen Straßenseite stehen jenseits der 45 Milchkühe noch 21 Jungkühe und 27 Kälber. Auf den etwa 40 Hektar wird vor allem das Futter für die Tiere angebaut. Etwas Weizen bleibt in der Regel übrig. Aber auch dafür gibt es nicht mehr viel: "Früher gab es 24 Euro für den Doppelzentner, heute sind es noch 13,50." Eigentlich wenig Motivation, dafür an 365 Tagen im Jahr um 5 Uhr aufzustehen und oft erst um 20 Uhr Feierabend zu haben. Gleichwohl sind die Drexlers Landwirte mit Leib und Seele und wollen das auch bleiben. "Für mich ist das der schönste Beruf", sagt Michael Drexler. Am liebsten würde er auf Bio umstellen und damit Politikern und BBV, die beide den Agrarkonzernen hörig seien und keine nachhaltigen Konzepte parat hätten, ein Schnippchen schlagen. Darüber hinaus sieht der Brandenberger Spritzmittel wie Glyphosat und Futtermittel wie Soja kritisch. Aber dafür bräuchte er einen neuen Stall und Auslauf für die Kühe. Dafür fehlt Geld. Zudem fehlt Fläche. Und weil sich auch die EU-Direktzahlungen an der Fläche orientieren, bringen auch sie keine nennenswerte Entlastung. Die Drexlers beobachten hilflos den Teufelskreis: Die Landwirte verdienen immer weniger und versuchen deshalb, immer mehr zu produzieren. Vor allem in Großbetrieben gehe es längst nicht mehr ums Tierwohl. Eine Kuh sei nur noch eine Nummer, über Stall oder Metzger entscheide dort einzig der Milchertrag, schimpft Nadja Drexler. "Traurig ist das." Ebenso traurig ist es, dass es die Milchbauern nicht schaffen, den Konzernen vereint und damit auf Augenhöhe entgegenzutreten." Heute erwirtschaftet der Drexlerhof 3000 bis 4000 Euro weniger pro Monat als noch vor zwei Jahren. Lange werde es so nicht weitergehen, prophezeit Michael Drexler. Entweder die Preise steigen. Oder das war's mit dem Kuhdorf.

Der BDM demonstriert am Montag von 13 bis 15 Uhr vor der Staatskanzlei - bevor Horst Seehofer die Verbände zum Milchgipfel empfängt. Landwirte aus dem Landkreis starten um 10 Uhr vom Maisacher Spickerhof. Teilnehmen können auch Bauern, die nicht dem BDM angehören .

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: