Mitten in Puchheim:Die Grenzen der Computerpuppe

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Mit Babysimulatoren können Jugendliche testen, wie es ist, sich um ein Kind kümmern zu müssen. Auch in anderen Bereichen könnten solche Puppen einigen Problemen vorbeugen

Kolumne von Stefan Salger

Leider nur auf den ersten Blick steht ein höchst innovatives Projekt des Familienstützpunkts Puchheim kurz davor, einen Siegeszug durch heillos zerrüttete Gemeinde- oder Stadträte anzutreten: Einige Neuntklässler bekommen an diesem Freitag einen High-Tech-Babysimulator ausgehändigt, der so ziemlich alles kann, was ein kleiner Schreihals bereits in die Wiege gelegt bekommt. Wir sagen jetzt mal: Windeln füllen und ordentlich krakeelen, wenn die renitente Mama oder der strenge Papa wieder nicht das machen, was man sich selbst in den Kopf gesetzt hat. Jugendliche, so die Hoffnung, sollen durch den Hausbesuch zum Nachdenken darüber angeregt werden, ob die Zeit schon reif ist für einen Bälger, der im Idealfall viel Freude bereitet, ganz sicher aber der Aufmerksam bedarf und um den man sich intensiv kümmern muss. Und ja, ob man nicht doch besser vorbereitet in gewisse Situationen gehen will, die da so kommen in einem Leben voller Sturm und Drang. Erfahrungsgemäß verschiebe sich der Kinderwunsch "oft nach hinten", berichtet wenig überraschend die Kursleiterin.

Solche Simulatoren sollten in größerer Stückzahl gebaut werden. Damit ließe sich die Welt besser retten als mit Elektroautos oder dem Verzicht auf Plastiktüten. Hätten die Amerikaner frühzeitig eine Trump-Puppe im Arm wiegen dürfen, die sabbernd "Fake News" brüllt und flennend nach roten Atomraketenstartknöpfen tastet und damit vor der Wahl eine abschreckende Wirkung entfaltet - der Welt wäre vieles erspart geblieben. Gleichwohl kommen auch die fortschrittlichsten Simulatoren im Praxisalltag an ihre Grenzen. Nur mal angenommen, die Brucker Stadtratsfraktionen von SPD, BBV und Grünen hätten beizeiten Erich-Raff-Puppen bekommen und der Brucker OB hätte ein paar Tage lang krakeelenden SPD-BBV-Grünen-Geschwistern die Windeln wechseln müssen - so hätte sich doch gezeigt, dass der Zug in dem permanent im Sturm-und-Drang-Modus befindlichen Gremium längst abgefahren ist. Während die Neuntklässler sich die Sache noch mal überlegen können, nützten den Politikern Vorbereitung sowie Bedenkzeit rein gar nichts. Das Baby ist längst im Brunnen: Sowohl der OB als auch jene Stadträte, die ihm im Rathaussaal vor allem linker Hand gegenüber sitzen und sich mit ihm regelmäßig beharken, werden allesamt vom Bürger direkt gewählt. Jener Bürger bekommt von all dem Geschrei ja kaum was mit.

© SZ vom 05.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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