Mitten in Fürstenfeldbruck:Zen-Kloster statt Zweckbau

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Im Behördenalltag bleibt kaum noch Zeit zu innerer Ruhe. Das Kreis-Bauamt reagiert mit einer Genehmigungswoche. In der gibt es keine Sprechzeiten und keine Telefonate

Von Stefan Salger

Im Behördenalltag bleibt kaum noch Raum für innere Einkehr. Und auch die Suche nach der eigenen Mitte und dem Sinn des Lebens kommt regelmäßig unter die Räder. Warum sollte es dem Fürstenfeldbrucker Landratsamt anders ergehen? Das Personal wird immer weniger, die Kundschaft immer anspruchsvoller - sie ist verwöhnt, will Erlebnis und Abenteuer, neue Angebote im wöchentlichen Turnus statt Paragrafendschungel im Amtsstubenmuff. In der Kantine gibt es die Fischwoche, der Prospekt des Discounters offeriert eine Woche lang das geballte Bade-Sortiment. Ködern lässt sich das demografisch unter Druck geratene Volk mit Anglizismen und Jugendsprech: Event, Mottoparty, Thrill, es wird cool gegroovt ohne Limit.

Mit langen Behördendonnerstagen lockt man da niemanden hinterm Ofen hervor. Das Landratsamt reagiert nun und öffnet sich modernem Marketing. Am Montag startet es mit einem echten Knaller in die Woche: Die Pressemitteilung Nummer 183 kündigt eine "Genehmigungswoche" an. Die Sause steigt im Bauamt. Die volle Konzentration der Mitarbeiter gilt dann bis zum Wochenende der Abarbeitung aussichtsreicher Bauanträge. Kleiner Wermutstropen: Ansprechpartner gibt es für Otto Normallandkreisbürger in dieser Zeit nicht. Immerhin wurde eine Notrufnummer eingerichtet.

Das Jugendamt springt zeitgleich mit der "Stillen Woche" (Pressemitteilung Nummer 174) auf. Der Sachbereich Beistandschaften blockt bis zum Wochenende Laufkundschaft und Telefonterror ab, um sich ganz den "personellen und organisatorischen Umstrukturierungen" zu widmen, die sich aus den "Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes" ergeben. Assistentinnen und Buchhalterinnen betreuen derweil die Notfall-Hotline.

Mit Blick auf den Bauboom und den gesetzgeberischen Aktionismus in Berlin schwant einem, dass man gleich über ein "stilles Jahr" nachdenken sollte. Im Zuge der andauernden Sanierung des Landratsamts könnte eine Mauer des Schweigens hochgezogen werden. Zweckbau wird Zen-Kloster. Im Sitzungssaal wird das eigene Ich herbeimeditiert. Chillen bis zum Abwinken. Nice!

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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