Mitten in Fürstenfeldbruck:Mit den Kollegen am Südseestrand

Lesezeit: 1 min

Der Trend mag ja hingehen zum Digitalen. Aber bei Reisen wäre man doch lieber altmodisch

Kolumne Stefan Salger

Analog ist out, es lebe digital! In der Corona-Krise merkt man erst, wie vorsintflutlich wir noch in der guten alten Zeit - also vor einem Jahr - kommuniziert haben. Von Angesicht zu Angesicht, manchmal sogar bei einem Bierchen in der Eckkneipe. Wie konnte uns so was Zügelloses nur passieren. Man schreibt diese Zeilen natürlich im Homeoffice, während sich der Sohn im Kinderzimmer mit den Konterfeis seiner Lehrerin und vieler Mitschüler konfrontiert sieht, die beim Homeschooling über den Bildschirm flimmern.

Dann flattert eine Nachricht in die papierlose Außenstelle des elektronischen SZ-Briefkastens. Julia Kiendl, die Tourismusbeauftragte im Landratsamt, kündigt darin für Mitte Januar den Start des digitalen Fortbildungsprogramms für die Tourismuswirtschaft an. Wenig überraschender Titel: "Echt digital". So geht es am 21. Januar ums Thema "Kommunikation in Corona-Zeiten". Später geht's um Themen wie Datenschutz und Analysetools. Übrigens ist das alles nur die Fortsetzung einer Reihe, die in einer anderen Epoche begonnen hat: in der Vor-Corona-Ära. Ganz grundsätzlich soll es um Entwicklungen und Trends gehen, soso.

Wohin also geht der Trend im Tourismus, wenn man mal von der Flaute in der Luftfahrt und den dichtgemachten Reisebüros absieht? Doch nicht etwa zum Digitalen? Wie hätte man sich das vorzustellen, fragt sich der Laie - jenseits der Tourismuswirtschaft. Natürlich kann man sich auf Youtube Videos von Trans-Sahara-Reisenden ansehen, von Abenteurern im brasilianischen Urwald oder über Pleiten, Pech und Pannen beim Zeltaufstellen auf dem Campingplatz. Aber das sind halt die Erfahrungen anderer - aus zweiter Hand.

Selbst in der Hand hat man immerhin den eigenen Bildschirmhintergrund in der Videokonferenz. Und so wird die rote Couch im schlecht geheizten Zimmer per Mausklick flugs ausgetauscht gegen den palmengesäumten Südseestrand.

Der erhoffte Individualurlaubskick stellt sich dann aber nicht ein. Zwei Kollegen sitzen bei der Online-Redaktionskonferenz am selben Strand unter den selben Palmen. Auch digital entkommt man also dem Massentourismus nicht. Die Frage "Wie wollen die Deutschen 2021 reisen", der sich das Tourismusseminar zum Auftakt am Donnerstag widmet, kann man bereits beantworten: Egal wie - Hauptsache weg von der roten Couch und den Arbeitskollegen (auch wenn man die ja grundsätzlich sehr schätzt). Und bitteschön so dreidimensional, zügellos und vorsintflutlich wie möglich.

© SZ vom 13.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK