Mitten in Fürstenfeldbruck:Heimerls Quantensprung

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Wenn die Zeit mal wieder droht davonzulaufen

Glosse von Stefan Salger

SPD-Stadtrat Philipp Heimerl hat auf der jüngsten Stadtratsitzung die Spendierhosen an. Aus dem Füllhorn purzeln aber keine goldenen Ampertaler, sondern die wichtigsten Güter der Menschheit: Sekunden und Minuten. Die Währung: Zeit. Um allzu großen Redefluss zu kanalisieren, wird seit ein paar Monaten die Redezeit pro Politiker und Thema auf fünf Minuten limitiert - für alle Politiker sichtbar wirft der Beamer den Countdown an die große Wand. Nach vier Minuten hat Heimerl alles gesagt, was zu Luftfiltergeräten in Klassenzimmern noch nicht gesagt worden ist. "Die Restminute verschenke ich an die nächste Rednerin, die Frau Weinberg von der BBV", sagt er. Solche Koalitionen auf Zeit sind in der Geschäftsordnung aber nicht vorgesehen. Und so erhebt sich heftiger Protest, als Weinbergs fünf Minuten abgelaufen sind, obwohl sie gerade so schön in Fahrt ist. Besonders theatralisch eng sehen es ausgerechnet Weinbergs Fraktionskollegen Andreas Rothenberger und Christian Götz.

Geh weida, Zeit, bleib steh - der Spruch des bayerischen Poeten Helmut Zöpfl bleibt also ein frommer Wunsch. Und die Entdeckung der Langsamkeit, um mit Zöpfls Schriftstellerkollegen Sten Nadolny zu sprechen, kann sich im Stadtsaal von Fürstenfeld niemand leisten. Die Zeit droht davonzulaufen, will man doch noch vor dem Zapfenstreich um 22 Uhr das wichtige Thema Amperoasen-Neubau besprechen. Also werden in einem Parforceritt Satzungsfragen und die Anschaffung einer Feuerwehr-Drehleiter einstimmig und ohne Debatte durchgewunken, das Thema Wahlwerbung zurückgestellt und die Städtebauförderung (Klaus Wollenberg: "Abstimmung, bitte!!!) nur kurz angerissen und dann gleich artig befürwortet.

Just in time wird das Tagesziel erreicht. Wäre dies nicht gelungen, hätte der eine oder andere Wutbürger den einen oder anderen mitteilungsbedürftigen Politiker möglicherweise mal wieder am liebsten mit Lichtgeschwindigkeit auf den Mond geschossen. Das freilich hätte nur marginale Fortschritte gebracht: Denn Einstein zufolge würde die Zeit für die Besatzung eines mit Lichtgeschwindigkeit reisenden Raumschiffs zwar langsamer vergehen und die Besatzung wäre nach Rückkehr zur Erde jünger als die restliche Bürgerschaft. Eine Überschlagsrechnung ergibt aber, dass das Licht von der Erde zum Mond und zurück nur etwas mehr als zwei Sekunden benötigt. Da bleibt nicht viel Spielraum, um in Rosaroter-Panther-Manier an der Uhr zu drehen. Im Vergleich wirkt Heimerls Minute da wie ein echter Quantensprung.

© SZ vom 29.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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