Migration:Schwierige Qualifizierung

Lesezeit: 3 min

Meist reichen zwei Berufsschuljahre nicht, damit junge Flüchtlinge ausbildungsreif sind. So schaffte auch kein Migrant im Juli den Quali, eine Lehrstelle hat dennoch jeder vierte gefunden

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Junge Flüchtlinge über ein zweijähriges Programm an der Berufsschule ausbildungsreif zu machen, erweist sich als schwierig. Die jungen Migranten im Alter zwischen 16 und 21 Jahren sollen dabei in zwei Schuljahren vorrangig Deutsch lernen und am Ende bereits das Kompetenzniveau B 2 beherrschen, das als Voraussetzung dafür gilt, eine Ausbildung aufnehmen zu können. Immer weniger schaffen das. Kein einziger junger Flüchtling verließ die Berufsschule im Juli mit dem Qualifizierenden Abschluss, zwölf hatten sich dafür angemeldet. 90 Prozent schafften indes den Mittelschulabschluss.

Schon vor zwei Jahren hatte Andrea Reuß, Leiterin der Berufsschule Fürstenfeldbruck, darauf hingewiesen, dass es unrealistisch sei, die jungen Flüchtlinge in nur zwei Jahren ausbildungsreif zu machen. Keiner oder ein schlechter Abschluss bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass der Flüchtling keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätte. Wie Reuß mitteilt, hatte ein Viertel der jungen Flüchtlinge im Juli eine Ausbildungsstelle. Ob in den Sommerferien noch weitere eine Stelle fanden, weiß sie nicht, "da die Schüler mit ihrem Abschluss nur noch freiwillig Kontakt zu uns halten". Der Abschluss, sagt Reuß, sei nur sekundäres Ziel, primär gehe es darum, die jungen Menschen in eine Ausbildung zu vermitteln, und dabei "muss vor allem das Sprachniveau passen". Das kollidiert freilich häufig mit den Vorstellungen der jungen Migranten, die lieber sofort Geld verdienen möchten.

Schlechtes Deutsch wirkt sich an der Berufsschule auch in den Fachklassen aus, in denen Fachsprache gefordert ist. Zusätzlichen Sprachförderunterricht gibt es zwar, doch wann er stattfinden soll - am Ende eines langen Schultages oder mit einer zweiten Deutschlehrkraft im Unterricht -, darüber ist sich die Berufsschule nach verschiedenen Versuchen noch im Unklaren.

Reuß beobachtete zudem in den zurückliegenden Jahren eine Veränderung in der Bildungsvorgeschichte der jungen Flüchtlinge. Zunächst seien viele mit gutem Bildungsniveau gekommen, das habe sich zum Schlechteren verändert und zeigte sich am Ende des vergangenen Schuljahres auch daran, dass etwa 40 Schüler das erste Berufsintegrationsjahr wiederholen müssen. Nur noch wenige brächten das Leistungsvermögen mit, sagt Reuß. Deshalb gibt es in diesem Schuljahr nicht wie geplant drei, sondern vier Berufsintegrations-Vorklassen, wie die Klassen des ersten Jahres heißen, sowie vier Berufsintegrationsklassen im zweiten Jahr. Auf diese Art und Weise erhalten insgesamt etwa 150 Flüchtlinge im Berufsschulalter Unterricht, sie wurden zuvor auf ihre Eignung getestet. Bis auf einzelne Ausnahmen wie Mütter, die keine Kinderbetreuung haben, oder "unmotivierte Flüchtlinge" seien alle im Landkreis wohnenden berufsschulpflichtigen Flüchtlinge "schulisch versorgt", heißt es aus dem Landratsamt. In den vergangenen Jahren hatte es politischen Streit im Kreistag darüber gegeben, weil nicht für alle Platz gewesen war in den Integrationsklassen. Vor allem die SPD hatte das vehement kritisiert.

Die vier Berufsintegrationsklassen des zweiten Jahres werden im Container an der Wittelsbacher Halle unterrichtet, der der Schule zuletzt als Interimslösung während der ersten Umbauphase diente und der nun weitere zwei Jahre stehen bleiben wird. In den Herbstferien wird der zweite Stock des Containergebäudes abgebaut, deshalb müssen Zwischenlösungen her und die Berufsintegrations-Vorklassen noch in ihrem Domizil am Max-Born-Gymnasium Germering bleiben. Eine eigene Klasse, in der Schüler erst alphabetisiert werden, gibt es in diesem Schuljahr nicht mehr. Der Bedarf ist zu gering, fünf Betroffene wurden an die Berufsschule zur Berufsintegration nach München geschickt.

Für die Bewohner an der Erstaufnahmeeinrichtung beim Fliegerhorst wird eine sogenannte Sprachintensivierungsklasse geführt, zuletzt waren es zwei. Doch das Interesse der dortigen jungen Bewohner, Deutsch zu lernen, ist gering. Der Schulbesuch ist sporadisch, regelmäßig würden nur etwa zehn Schüler kommen, berichtete das Landratsamt Ende des Schuljahres den Kreisräten. Dabei leben neuesten Zahlen zufolge derzeit etwa 85 berufsschulpflichtige junge Menschen in der Erstaufnahme, weiß Andrea Reuß. Unter anderem würde die Sorge, dabei besser für Verlegungen oder Abschiebungen greifbar zu sein, die Schüler vom Unterricht abhalten, weiß man im Landratsamt. Man habe die Zusicherung, dass keiner aus dem Klassenraum heraus abgeschoben würde, sagt Reuß, aber was vor dem Klassenzimmern passiere, wisse man nicht. Ein weiterer Grund für die geringe Resonanz könnte Reuß zufolge sein, dass die Lernräume "nicht wirklich als Schule im klassischen Sinne" wahrgenommen würden, weil die Schüler die Aufnahmeeinrichtung dazu nicht verlassen müssten. "Ein Raum außerhalb der Wohneinrichtung" wäre ihrer Meinung nach besser geeignet.

© SZ vom 06.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: