Maisach:Zeremonie und Zotteltiere

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Die Krönung der bayerischen Wollkönigin bei der 35. Maisacher Schafschau lockt viele Besucher an

Von Ariane Lindenbach, Maisach

"Wir haben in Maisach schon viel gehabt, aber gekrönte Häupter haben wir bisher nicht viele gehabt."Bestens gelaunt hebt Hans Seidl zu seiner Rede anlässlich der ersten Krönung einer bayerischen Wollkönigin auf Maisacher Boden an. Der Bürgermeister steht mit dem Vorsitzenden der bayerischen Wollerzeuger-Gemeinschaft - jenem Verband, der die Wollkönigin alle zwei Jahre neu kürt - sowie der bisherigen Königin Kerstin Müller und der designierten, Simone Ostermeier, auf der Wiese vor dem Volksfestplatz. Dort wo alljährlich an einem Festwochenende die Schafschau stattfindet, hat sich jetzt ein Halbkreis von Schaulustigen um die vier Hauptakteure gebildet. Eltern mit kleinen Kindern, Paare jeden Alters und auffällig viele Kinder und Jugendliche mit einheitlichen T-Shirts und Aufschriften wie "Landes-Schafzuchtverband Weser-Ems". Sie gehören zu den vielen Teilnehmer des Bundesjungzüchterwettbewerb. Zur 35. Schafschau konnten die Organisatoren vom Maisacher Schäferstammtisch den Wettbewerb mit Teilnehmern aus ganz Deutschland, Österreich und Südtirol in den Ort holen. Ihr zweites Highlight ist die Krönung der Wollkönigin.

"Kaiserwetter für zwei Königinnen", lobt Seidl gerade das Wetter, das für eine solche Veranstaltung nahezu perfekt ist: nicht zu warm, nicht zu kalt. Der Vorsitzende der Wollerzeuger-Gemeinschaft, Martin Brickel, in seinem knielangen schwarzen Schäfermantel dankt Kerstin Müller. "Du hast die Schafzucht in den letzten zwei Jahren der Bevölkerung näher gebracht." Ähnlich wie bei der Wein- oder Bierkönigin ist es die Aufgabe der Wollkönigin, den Berufsstand der Schäfer und die Produkte ihrer Zunft positiv nach außen zu vertreten. Gewandet in ein Dirndl in Wollweiß und gedecktem Blau, trägt Müller noch die goldene Krone auf dem Kopf, ein Zepter in der Hand und die wollweiße Schärpe mit der goldenen Stickerei "Bayerische Wollkönigin" über der Schulter.

Sie habe viele nette Menschen kennen gelernt in ihrer Amtszeit und viele andere Regionen, "von meiner Heimat in Unterfranken bis nach Oberbayern". Und sie habe ein wachsendes Interesse der Menschen für die Schäferei feststellen können. Ihr Blick schweift über Menschengruppen, die vor den zwei Reihen mit mehreren Gattern für jeweils zwei bis vier Schafe vorüberziehen und die Tiere bestaunen, sich an diversen Tafeln über verschiedene Schafrassen oder die Probleme mit dem Wolf informieren, oder im Schatten unter dem Dach des Wettkampfzeltes ratschen. Es sindweit mehr Besucher gekommen, als die 2000 bei er einer Maisacher Schafsschau. Als Kerstin Müller sagt, "mein Respekt dem Schäferstammtisch Maisach, der das schon seit 35 Jahren auf die Beine stellt", brandet spontan Applaus auf. Sie wünscht ihrer Nachfolgerin alles Gute für die Zukunft, für einen kurzen Moment schwankt ihre Stimme.

Brickel erläutert nun, dass die Wollerzeuger-Gemeinschaft wieder eine Ausschreibung gemacht und eine nicht näher definierte Jury Simone Ostermeier zur geeignetsten Kandidatin bestimmt habe. Laut Statuten kann nur eine unverheiratete Schäfertochter das Amt bekleiden. "Du bist bestens als Wollkönigin geeignet", schließlich stamme Ostermeier aus einer Schäferei mit Direktvertrieb und habe "von Klein auf" mit den Tieren zu tun.

Der Vorsitzende im schwarzen Mantel bittet nun Müller um ihre Krone. Mit Hilfe ihrer Mutter nestelt die junge Frau an ihren Haaren. "Die Krone ist sehr schwer, deshalb mit vielen Haarnadeln befestigt", erklärt Brickel und bittet um etwas Geduld. Dann ist das goldene Prunkstück befreit. Müller reicht es Seidl, der es weiter an Brickel gibt. Im Austausch erhält er ein goldenes Diadem. Das setzt er der nun ehemaligen Wollkönigin aufs Haupt, bevor er von ihr Zepter und Schärpe bekommt und beides an Brickel weiterreicht.

Die Juroren der Schafschau bei der Bewertung. (Foto: Johannes Simon)

Simone Ostermeier, die ihr naturweißes Dirndl mit Weinrot kombiniert hat, darf zur Krönung auf dem "Thron", einem von einem Schaffell bedeckten Stuhl, Platz nehmen. "Trage sie mit Stolz, trage sie mit Inbrust", sagt Seidl fast beschwörend, als er der 19-Jährigen die Krone aufsetzt. Es folgen Schärpe, Zepter und die besten Wünsche für die nächsten zwei Jahre.

Sie persönlich finde Schafwolle "sehr faszinierend", schmettert Ostermeier in das Mikrofon, während im Hintergrund immer noch die Juroren der Schafschau - jeweils ein Vertreter vom Landesverband Bayerischer Schafhalter und ein Züchter - von Gatter zu Gatter wandern, um jedes einzelne Schaf zu bewerten. Kriterien wie Wolle, Bemuskelung und äußeres Erscheinungsbild gilt es zu prüfen. Schafwolle habe "natürliche Thermoisolationseigenschaften", schwärmt die neue Wollkönigin, "Schafwolle nimmt kaum Schmutz an, knittert fast nicht", und sie habe eine "selbstreinigende Funktion". Die angehende Studentin der Wirtschaftswissenschaften ist so überzeugend, dass man ihr sofort ein Schaffell abkaufen würde. Als sie dann noch betont, "dass Lamm- und Schaffleisch nicht dasselbe ist, sondern ein kleiner aber feiner Unterschied besteht", spenden die Umstehenden bekräftigenden Applaus: eine, die uns versteht.

Der Bundesjungzüchterwettbewerb ist, abgesehen von der Siegerehrung, bereits vorbei. Am Samstag war Einzel-, Sonntagvormittag Gruppenwettkampf. Die an die 70 Teilnehmern zwischen zehn und 24 Jahren mussten beispielsweise drei Schafe einer Rasse nach ihrer Qualität beurteilen. Auch hier wieder: Wolle, Bemuskelung, äußeres Erscheinungsbild.

Nach ihrer Krönung wird die Wollkönigin die ersten drei Sieger der verschiedenen Kategorien küren. Doch jeder der zum Teil weit gereisten Teilnehmer erhält am Ende eine mit einem blau-weißen Band verzierte Schafglocke.

Derweil ist nebenan im Hof des Bauhofs Hochbetrieb. Längst hat sich herumgesprochen, dass es bei der Schafschau neben Wollsocken und Filzhüten köstlichen Lammbraten gibt. Die ganz Eiligen sind schon vormittags vorbeigekommen, gut vorbereitet mit Plastikschüsseln für den Heimtransport, und haben sich ihre Portion gesichert. Jetzt steht vor der Kasse eine erschreckend lange Schlange an, die Bierbänke in der Halle und im Hof sind allesamt besetzt.

© SZ vom 28.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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