Maisach:Reingegrätscht

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In Gernlinden sprechen sich 201 Bürger gegen den Neubau der TSV-Turnhalle am Waldsee aus. Die Anwohner wollen dort den Bolzplatz für die Kinder und Jugendlichen erhalten und fordern Bürgermeister Hans Seidl auf, einen anderen Standort zu suchen

Von Erich C. Setzwein, Maisach

Wann bekommen die Mitglieder des TSV Gernlinden eine Halle und wo soll sie gebaut werden? Auf dem Bolzplatz am Waldsee vielleicht? Wenn es nach den Anwohnern dort gehen würde, dann müsste ein anderer Standort gefunden werden. Denn den Bolzplatz wollen 201 Gernlindener nicht überbaut haben. So viele Unterschriften hat Gerhard Forster aus dem Alpspitzweg zusammengetragen und am Donnerstag zusammen mit einem halben Dutzend Mitstreiterinnen und Mitstreitern aus seiner Nachbarschaft dem Maisacher Bürgermeister Hans Seidl (CSU) übergeben. Forster betonte bei der regulären Sprechstunde des Bürgermeisters in Gernlinden, dass die Unterzeichner nicht gegen den Hallenneubau seien, wohl aber gegen den Standort auf dem Bolzplatz.

Die Anwohner am Waldsee finden, der Bolzplatz solle erhalten bleiben. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Dass der TSV Gernlinden Bedarf für eine Turnhalle hätte, darüber sind sich Sportler wie Gemeinderäte einig. Denn die Hallenkapazitäten sind begrenzt, die Zahl der Freizeitsportler steigt. Hinzu kommt, dass die Schulen wegen des Ganztagsangebots ihre Hallen selbst benötigen und Belegungszeiten eingeschränkt werden. Der Wunsch, eine Halle zu bauen, ist nicht ganz neu, aber nach den öffentlich angestellten Überlegungen, den Bolzplatz am Waldsee als Grundstück zu nutzen, hat sich langsam Widerstand in der Nachbarschaft der möglichen Halle aufgebaut.

Initiator Gerhard Forster (Zweiter von links) übergibt eine Unterschriftenliste an Maisachs Bürgermeister Hans Seidl (links). (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Bürgermeister versuchte in der einstündigen Diskussion mit Initiator Gerhard Forster und weiteren Anwohnern zu verdeutlichen, in welcher Lage Gernlinden grundsätzlich und der TSV im Speziellen sei. Weder gebe es einen Bauantrag, noch fertige Planungen für den Bolzplatz. Selbst das Landratsamt habe im Rathaus angerufen und nachgefragt, nachdem Anwohner dort die Pferde scheu gemacht hatten. Wie sich in der Sprechstunde, die einer kleinen Bürgerversammlung glich, herausstellte, sind die Befürworter des Bolzplatzes auch gegen die weitere Flächenversiegelung für Wohnbauten, lehnen neue Gewerbegebiete ab und bezweifeln, ob Gewerbesteuereinnahmen in der Höhe, wie sie die Gemeinde bekommt überhaupt notwendig sind. Seidls Antwort dazu, dass damit unter anderem das neue, durch den Zuzug vieler Familien notwendig gewordenen Kinderhaus in Gernlinden bezahlt und die Kindergartengebühren aus sozialen Gründen subventioniert würden, wurde aus Sicht der Besserverdienenden angezweifelt und kritisiert.

Der TSV Gernlinden und die Gemeinde wollen den Bolzplatz als Grundstück für die neue Turnhalle nutzen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Behauptung, die Gemeinde habe selbst Schuld, weil sie neue Wohngebiete ausgewiesen habe, konterte Seidl mit der Erklärung, dass in den vergangenen 30 Jahren keine neuen Wohngebiete aufgemacht worden seien, sondern viele Gernlindener ihre Grundstücke verkauft hätten. Statt Einfamilienhäusern würden dann dort wegen des Baurechts in den Neubauten bis zu zwölf Parteien auf einem Grundstück wohnen. Meist junge Familien, so Seidl, der Altersdurchschnitt, sei deutlich gesunken. Das findet der Bürgermeister für den Ortsteil mit mittlerweile 5200 Einwohnern erfreulich, wies aber auf die Folgen hin, unter anderem die dadurch notwendige Infrastruktur.

Das Recht vieler Gernlindener, sich sportlich zu betätigen, wollen die Anwohner des Bolzplatzes niemanden absprechen, wie Einzelne von ihnen betonen. Sie befürchten, dass mit dem Überbauen des Platzes der Bolzplatz verschwindet und die Kinder und Jugendlichen keine Möglichkeit mehr hätten, einen freien Platz zum Spielen zu finden. Das Argument Seidls, die Jugendlichen könnten in die Halle gehen, wies Gerhard Forster zurück. Dafür müssten die Jugendlichen Mitglieder des TSV sein. Forster und seine Unterstützer machen sich auch Sorgen um den Lärm und den Verkehr. Der Bürgermeister kündigte dazu an, dass es Lärm- und Verkehrsgutachten geben werde, sollte dieser Standort ausgewählt werden. Seidl erläuterte auch, wie es zu der Überlegung, dort eine Halle zu errichten, gekommen sei. Zum einen würde die Halle nahe am TSV selbst liegen, zum anderen könne der TSV Gernlinden den Bau selbst nicht stemmen. Deswegen würde die Gemeinde das Grundstück zur Verfügung stellen, eine Bürgschaft und die Hälfte der Kosten übernehmen, um für den Freizeitsport eine Turnhalle anbieten zu können.

Das Behauptung, der Hallenbau würde im "Erholungsgebiet" stattfinden, wie Forster es formuliert hatte, wies Seidl zurück. Es handle sich nicht um ein Erholungsgebiet, sondern die Fläche sei als Freizeitgelände ausgewiesen, korrigierte Seidl. Er verwies darüber hinaus darauf, dass eigentlich nicht er der Adressat der Unterschriften wäre, sondern der Gemeinderat. Überhaupt wäre die Bürgerversammlung in diesem Jahr die richtige Veranstaltung gewesen, um mit dem Gernlindener Publikum über das Thema Turnhalle zu sprechen und Argumente abzuwägen. Seidl versprach der Anwohner-Delegation, die von ihr gesammelte Dokumentation und die Unterschriftenliste an den Gemeinderat als entscheidendes Gremium umgehend weiterzuleiten.

© SZ vom 08.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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