Maisach:Pfusch am Kirchenbau

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Meisaha-Macher (von links) Cornelia Schader,Karl Muth, Fritz Aneder, Helga Rueskäfer, Jörg Pluta und Stefan Pfannes. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Im neuen Meisaha-Heft über die Geschichte der Gemeinde berichtet Stefan Pfannes, wie 1957 das Gotteshaus in Germerswang zusammenfiel

Von Peter Bierl, Maisach

Zwischen dem Dach der Kirche und dem Turm von Sankt Michael in Germerswang lösen sich einige Dachplatten, in der Wand des Turmes zeichnet sich ein Riss ab. Kirchenpfleger Ludwig Strauß schreit den Arbeitern zu, sich in Sicherheit zu bringen. Minuten später stürzt der Turm ein und begräbt den Altar und die Sakristei unter sich. Nachdem sich der Staub verzogen hatte, stellte der damalige Kreisbaumeister fest, dass am Mauerwerk gepfuscht worden war. Der Raum zwischen zwei Ziegelmauern war beim Bau im 18. Jahrhundert einfach mit Steinen, Ziegelbrocken und Mörtel aufgefüllt worden.

Bereits im 19. Jahrhundert stellte man Schäden an Kirche und Risse am Turm fest und vermutete statische Probleme oder eine schlechte Fundamentierung. Man versuchte, den Bau mit Holzkeilen und Eisenschlaudern, speziellen großen Nägeln, wieder zu stabilisieren. 1954 stellten die Experten des Baubüros des erzbischöflichen Ordinariats fest, dass der Westgiebel baufällig war, die Mauern feucht und der Verputz brüchig. Die Kirchenverwaltung entschied sich, das Gebäude trockenzulegen und die Kirche zu erweitern. Im Juni 1957 begannen die Bauarbeiten, einen Tag vor der Hebauffeier, am Nachmittag des 23. Juli, stürzte der Turm dann ein. Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck stellte später fest, dass Architekt und Baufirma daran keine Schuld trugen. Auf den Ratschlag des Kreisbaumeisters wurde der Rest der Kirche abgerissen und Sankt Martin komplett neu errichtet. Nach nur einem Jahr, im September 1958, konnte dieser Neubau eingeweiht werden.

Der Archivar Stefan Pfannes hat die Geschichte vom einstürzenden Turm von Germerswang recherchiert und aufgeschrieben. Die Geschichte ist in der neuen Ausgabe der Zeitschrift Meisaha nachzulesen, die der Arbeitskreis Geschichte der Gemeinde Maisach seit 2009 herausgibt. Es ist die zehnte Ausgabe und zugleich die erste, für die Pfannes als Redakteur verantwortlich ist, nachdem Ulrike Bergheim, die Vorsitzende des Historischen Vereins, diese Aufgabe abgegeben hatte. Am Mittwoch präsentierten Pfannes und einige weitere Autoren das Heft im Gemeindezentrum vor knapp 40 Zuhörern, anschließend wurde am Buffet weiter diskutiert. Vielleicht konnte Pfannes einige neue Mitarbeiter rekrutieren. "Mich treibt die Sorge um die Zukunft des Heftes um, wir verlieren immer wieder Autoren und finden keine Nachfolger", sagte Pfannes.

Auf jedem Fall ist es wieder eine interessante und vielfältige Mischung von Themen geworden. Ein Schwerpunkt ist der Gemeindegebietsreform von 1978 gewidmet, die Maisach zur Großgemeinde machte. Helga Rueskäfer schildert versiert die oft jahrelangen Auseinandersetzungen, dazu hat Karl Muth Interviews mit Beteiligten von damals geführt.

Fritz Aneder hat einen Überblick über die archäologischen Funde beigesteuert, die beim Bau der Südumgehung von Maisach entdeckt wurden. Das Spektrum reicht von Urnengräbern und einem Brunnenrest aus der Bronzezeit bis hin zu Bombensplittern aus dem Zweiten Weltkrieg. Darunter fanden die Archäologen eine römische Münze, was chronologisch nicht passt. Vermutlich gelangte das Geldstück erst beim Verfüllen des Bombentrichters in die tiefere Lage.

Die Serie zum Ersten Weltkrieg endet in diesem Heft mit den Tagebucheintragungen des Pfarrers Schmidhammer über die letzten Kriegsmonate und die Novemberrevolution, die Jörg Pluta mit einer Einordnung versehen hat. Die Einstellung des Pfarrers war so verquer wie vermutlich zeittypisch. Er beschrieb zutreffend die Not und das Elend, die Inflation und den Hunger und notierte eher ungerührt, dass man im Maisacher Keller, einem Arbeitslager, einen erkälteten italienischen Kriegsgefangenen erfrieren ließ. Umso mehr empörte sich Schmidhammer über Kriegsgegner, etwa jene Arbeiter, die in München und Berlin im Januar 1918 streikten. Der Pfarrer erwies sich in seinen Notizen als treuer Diener der Obrigkeit, freute sich über Kriegsspenden und berichtete, wie Kollege Pfanzelt aus Olching in der Brauerei die Stimmung aufhellte für die neunte Kriegsanleihe. Schmidhammer forderte am 3. Dezember 1918 einen Diktator und präsentierte eine frühe Version der Dolchstoßlegende: Eine Offensive noch und Deutschland hätte gesiegt. "So haben also die Revolutionäre alles verdorben."

Meisaha. Hefte zur Gemeindegeschichte Maisachs, 2018, 54 Seiten

© SZ vom 13.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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