Maisach:Leuchtturm im Gewerbegebiet

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Die Firma TTI in Gernlinden hat innerhalb eines Jahres zwölf Langzeitarbeitslose eingestellt. Damit beteiligt sich das amerikanische Unternehmen in besonderem Maße an einem bundesweiten Förderprogramm. Bei diesem liegt der gesamte Landkreis weit vorne

Von Ariane Lindenbach, Maisach

Leuchttürme stehen in der Regel im Meer, nicht in unwirtlichen Gewerbegebieten. "Leuchtturm" heißen aber auch die durch ihren einzigartigen Erfolg besonders herausragenden Projekte. Wer hätte gedacht, dass ein solcher symbolischer Leuchtturm ausgerechnet im Gewerbegebiet des Maisacher Ortsteils Gernlinden steht? Und dass er von der eigens angereisten Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit als "bayernweit einzigartig" gelobt wird? So passiert es am Dienstagvormittag im Konferenzraum des amerikanischen Unternehmens TTI, das seit 2005 seine europäische Zentrale an der Ganghoferstraße hat. Der Leuchtturm ist allerdings nicht die beständig wachsende Zahl von inzwischen 500 Mitarbeitern. Sondern es sind die zwölf Langzeitarbeitslosen, die der Distributor für passive Bauelemente, Steckverbinder und elektromechanische Bauteile innerhalb des letzten Jahres im Rahmen des bundesweiten ESF-Projektes in Kooperation mit dem Jobcenter Fürstenfeldbruck eingestellt hat.

An diesem Vormittag soll es jedoch nicht nur um das 1971 in Dallas gegründete, inzwischen weltweit operierende Unternehmen aus Gernlinden gehen. Sondern in erster Linie um das ESF-Programm und diejenigen, für die es gedacht ist. ESF ist die Abkürzung für Europäischer Sozialfonds. Über diesen Topf stellt die Europäische Union elder bereit, unter anderem zur Unterstützung von Langzeitarbeitslosen bei der Wiedereingliederung in das Berufsleben. Im Jobcenter Fürstenfeldbruck übernimmt ein dreiköpfiges Team die Aufgabe, Menschen, die seit mindestens zwei Jahren keine Arbeit mehr haben, für das Programm auszuwählen, sie zu motivieren, den Kontakt zu einem potenziellen künftigen Arbeitgeber herzustellen und sie auch nach Aufnahme der Arbeit noch ein Stück weiterzubegleiten.

Im Landkreis war man damit bisher sehr erfolgreich. Seit dem Start des ESF-Projekts im Vorjahr hat Claudia Baubkus, Geschäftsführerin des Jobcenters, die Zielvorgabe für den Landkreis schon zwei Mal hochgesetzt. Zunächst wollte man 20 Langzeitarbeitslose wieder auf den ersten Arbeitsmarkt bringen. Da das - nicht zuletzt dank TTI - so gut gelang, setzte man das Ziel auf 50 hinauf. Inzwischen habe man schon mehr als 50 Menschen in ein Beschäftigungsverhältnis gebracht, vermitteln wolle man nun 101, berichtet Baubkus.

Das Team im Jobcenter, das sind Barbara Maier, Claudia Schmidt und Harald Schönwald. Sie pflegen Kontakt zu etwa 50 Firmen im Landkreis, die an dem Programm teilnehmen. Wie sie berichten, klopfen sie bei den in Frage kommenden Arbeitslosen zunächst den Willen zum regelmäßigen Arbeiten ab. Dann geht es um Fähigkeiten, die ein Mensch mit zunehmender Untätigkeit verliert: Pünktlichkeit, ein strukturierter Tagesablauf, das Auftreten gegenüber anderen Menschen und noch einiges mehr. Die Drei vom Jobcenter leisten bei diesen Mankos schon eine gewisse Vorarbeit, etwa indem als Hausaufgabe der Lebenslauf aktualisiert werden soll. "Man sieht ja dann beim nächsten Termin, ob das erledigt wurde", so Schmidt. Wenn das Team einen seiner Kunden dann für arbeitsfähig hält, wird derjenige individuell an einen der Kooperationspartner vermittelt.

Bei TTI und vielen anderen Firmen kommen die Langzeitarbeitslosen zunächst zum Probearbeiten. So können beide erst einmal prüfen, ob das Arbeitsverhältnis von Dauer sein könnte. Wenn diese Phase überstanden ist, stehen die Drei vom Jobcenter ihren Schützlingen noch ein paar Monate länger als Ansprechpartner beiseite. Für die Arbeitgeber gibt es zudem Lohnkostenzuschüsse, betont Schönwald

"Viel Bürokratie und es kommt nichts dabei raus", berichtet TTI-Geschäftsleiter Thomas Dudenhöffer von seinen ersten Gedanken zu dem ESF-Projekt. Andererseits lege das Unternehmen großen Wert darauf, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Personalchefin Angela Mair überzeugte Dudenhöffer schließlich davon, einen Versuch zu starten. Inzwischen sind beide völlig überzeugt von dem Programm. Wie Mair berichtet, ist ganz entscheidend für den Erfolg des Projekts die enge Zusammenarbeit mit dem Team vom Jobcenter. "Dieses Vertrauen, dass man einfach mal anruft und nachfragt", etwa wenn eine Bewerbung auf ihrem Schreibtisch lande und sie den Bewerber nicht einschätzen könne. Neben dem persönlichen Kontakt zu den Vermittlern vom Jobcenter macht ein zweiter Faktor den Erfolg in Fürstenfeldbruck aus. "Die ganzen Anträge kommen vorausgefüllt", so nehme das Team ihr viel bürokratische Arbeit ab. Ohne diesen besonderen Service, betont Mair offen, hätte sie sich nicht für das Programm stark gemacht.

Für Filomena de Rose und Liviu Zamfirescu und viele andere Menschen, die schon längere Zeit ohne Arbeit sind, ist das Projekt ein Segen. "Man kommt einfach wieder unter Leute, es macht Spaß", beschreibt die alleinerziehende de Rose, was ihr die erst kürzlich begonnene Arbeit in der Produktion von TTI bedeutet. Zamfirescu ist 54, seit einem guten Jahr ist er im Lager mit verschiedenen Aufgaben betraut. Wenn er davon spricht, merkt man, dass ihm seine Arbeit weit mehr gibt als nur Geld. Es geht um Selbstwertgefühl, aber auch um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Diese Bereicherung ihres Lebens könnten rund noch 50 weitere Menschen im Landkreis Fürstenfeldbruck erleben.

© SZ vom 16.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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