Maisach:Heilkraft am Wegesrand

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Kräuterwanderung am Tag vor Mariä Himmelfahrt

Von Luca Thiel, Maisach

Hermann Neubauer ist Natur- und Landschaftsführer. Seit 15 Jahren gibt der 73 - Jährige einmal im Jahr sein Wissen an Interessierte weiter, die am Tag vor Mariä Himmelfahrt an seiner Kräuterwanderung teilnehmen. So auch wieder am vergangenen Dienstag in Diepoltshofen bei Maisach. Für Mitorganisatorin Bärbel Rieber, 53 Jahre, vom Trachtenverein "D'Maisachtaler" gehört diese Tradition zur Brauchtumspflege. Die gesammelten Kräuter werden an Mariä Himmelfahrt vom Priester geweiht und sollen der Abwehr von Übel und Leid dienen.

20 Teilnehmer lauschten also Neubauer, als er begann, die erste Pflanze vorzustellen: die Brennnessel. Er hat ein Exemplar am Straßenrand gefunden und hält sie nun in der Hand, ohne sich dabei zu "brennen". Als Kenner der Pflanzenkunde weiß er, dass der Kontakt schmerzfrei bleibt, wenn man die Brennnessel von unten nach oben umgreift. "Für dieses Pflänzchen sollte jeder eine Ecke in seinem Garten parat haben", rät er. "Die Brennnessel ist beinahe eine der wichtigsten Heilpflanzen." Die Samen kann man rösten und im Salat oder auf dem Butterbrot genießen. Tee oder Spinat sind auch leicht gemacht, außerdem Brennnesselchips oder -kuchen.

Kräuterkenner Neubauer öffnet seinen Rucksack und bringt einen Stapel voller Rezepte zum Vorschein, welche er an die Gruppe verteilt. Er fordert zum Weitergehen auf und bleibt kurz darauf aber schon wieder stehen. Denn auf jedem Meter gibt es andere Kräuter zu entdecken, die allesamt analysiert werden möchten. Spitz- und Breitwegerich sind gut gegen Bienen- und Mückenstiche, aber auch gut für Salat oder Tee. Der Rat: "Bei Blasen am Fuß einfach ein Blatt vom Breitwegerich an die Stelle in die Socke."

Denjenigen, die dieses Jahr das erste Mal dabei sind, wird langsam klar, dass hier nicht nur Kräuter gesammelt werden, um diese am Folgetag im Gottesdienst weihen zu lassen, sondern dass die Wanderung der Kräuterlehre dienen soll. Auf der Erkundungstour geht es vorbei an Äckern, Bauernhöfen, Wiesen und rauf auf einen Weinberg. Alle paar Meter bleibt die Gruppe stehen, weil jemand eine Frage zu einer Pflanze am Wegesrand hat, oder der Landschaftsführer ein passendes Kraut gefunden hat, um darüber eine Geschichte zu erzählen. Ob nun über die Namensherkunft des Gänseblümchens und der Hagebutte oder Erzählungen über das Hexenkraut und der Karottenblüte - die Gruppe hört interessiert zu, während sich ein frischer Wind bemerkbar macht, der die Hitze der Sonne vergessen lässt.

Am Rande des Weinberges kommen die Wanderer zum Stehen, weil Neubauer die einzige Pflanze, aus der man trinken kann, vorstellen will. Es handelt sich um die echte Zaunwinde. Um die Richtigkeit seiner Aussage zu demonstrieren, holt er seine Wasserflasche heraus, gießt einige Tropfen in die Blüte und bietet einem jungen Mädchen eine Kostprobe an. Sie probiert und stellt fest, dass die Pflanze dicht hält und kein Tropfen daneben geht. Daraufhin folgt eine weitere Legende, die einen Bezug zwischen der Zaunwinde, Maria und dem Jesuskind herstellt. Nach zweistündiger Kräuterkunde erreicht die Gruppe den Ausgangspunkt, wo man sich verabschiedet. Zumindest von jenen Teilnehmern, die nicht mit zur Einkehr in die Wirtschaft kommen.

© SZ vom 16.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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